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Keine Lobby in Sachsen

Von Pierre Deason-Tomory
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Ein gutes Jahr für Punk: The Clash (Stockholm, 1977)

Die ARD soll auf Geheiß der Länderchefs 16 ihrer 69 Radiosender abschalten, um Sparwillen zu simulieren (jW berichtete). Als letzte der Anstalten hat jetzt der Bayerische Rundfunk seine Streichliste vorgelegt, und auch hier hält sich der Schaden in Grenzen: Die Nischenprogramme BR 24 live, BR Verkehr, BR Puls-Radio und BR Schlager hat es erwischt, also wenige Mitarbeiter und noch weniger Hörer. Ein Bienchen hat sich die lila Bubble-Tea-Koalition in Thüringen verdient, sie unterstützt die Bürgerradios im Land 2025 mit 218.000 Euro. Das Geld kommt aus dem Aktionsplan »Lokale Vielfalt«, mit dem seit 2020 die journalistische Ausbildung der Sender bezuschusst wird.

Anders der sächsische Landtag. Der hat Ende Juni die Mittel im Landeshaushalt für die Lokaljournalismusförderung bei den nichtkommerziellen Lokalradios rückwirkend zum 1. Januar von 300.000 Euro auf null gekürzt. Der Beschluss trifft die Bürgerradios hart, bei Radio Blau in Leipzig zum Beispiel musste die Stelle für die Betreuung der Migrantensendereihe dran glauben. Das finden die Ausländerhasser von der AfD natürlich prima, aber gestimmt haben für diesen Haushalt neben den Minderheitsregierungsfraktionen von CDU und SPD die Abgeordneten von Die Linke und den Grünen. In Sachsen hat der kommerzfreie Rundfunk keine Lobby.

In den Programmhinweisen geht es auf eine verregnete Insel, auf der »No Future!« noch eine Zukunft hat. Seit 50 Jahren. Das »Ö  1-Popmuseum« zeigt »London 1977« featuring The Clash und die Sex Pistols (Di., 16.05 Uhr). Noch mehr »No Future« hat unser Klima, ein Schlamassel sieht Ina Lebedjew kommen: »Was wäre, wenn die atlantische Umweltströmung versiegt« (MDR 2024, Di., 20.04 Uhr, MDR Kultur). »Hundert Jahre Schuld« erblicken die Kollegen vom »Zeitfragen-Feature«, wenn sie die ungehörten Reparationsforderungen gegen Deutschland betrachten (DLF Kultur 2023, Mi., 19.30 Uhr, DLF Kultur). In Italien haben Romane über den Faschismus Konjunktur, die Literatur zeigt sich widerständig gegen die braunen Wiedergänger in Rom, urteilt Maike Albath in »Der Morgen gehört uns« (Fr., 19.30 Uhr, DLF Kultur).

Ob hier auch mal ein Hörspiel vorgeschlagen wird? Aber ja doch! Gleich. Die nächsten Zeilen gehören Frantz Fanon und einer »Langen Nacht« über den »Psychiater, Revolutionär, Denker der Dekolonisierung« (Sa., 0.05 Uhr, DLF Kultur, 23.05 Uhr, DLF). Und die Zeilen danach dem »Deutschen Kleinkunstpreis 2025«, im März hin- und herhonoriert u. a. von und an Sarah Bosetti, Teresa Reichl, Filiz Tasdan und Bernd-Lutz Lange (Sa., 15.04 Uhr, WDR 5). Jetzt aber Vorhang auf für ein Hörspiel, es gibt die angesichts der damaligen zeitlichen Nähe zur Schoah etwas makabre westdeutsche Inszenierung von  »Hiob – Die Geschichte eines armen Mannes« nach Joseph Roth (NWDR 1951, Sa., 18.05 Uhr, NDR Kultur).

Neue Opern ziehen immer noch nicht, stand unlängst in dieser Zeitung, die Bayerische Staatsoper war also am 22. Mai mit dem Einakter »Cavalleria rusticana« von Pietro Mascagni auf der sicheren Seite (Sa., 19.05 Uhr, DLF Kultur). In »Essay und Diskurs« wird ein Sigmund Freud »Jenseits der Wissenschaftsikone« analysiert, so als Leser von Krimiheftchen (So., 9.30 Uhr, DLF). In »Massensport statt Kampfrekord« wird die Arbeiterolympiade von 1925 gefeiert (So., 18.05 Uhr, DLF Kultur). Und mit diesem letzten Satz wird hier endlich ein zweites Hörspiel vorgeschlagen, der Sigmund- und Freud-lose Krimi »Es gibt kein Entkommen (1/2)« nach dem Buch von Cara Hunter (DLF Kultur 2025, Ursendung, Mo., 22.05 Uhr).

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