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Aus: Ausgabe vom 15.07.2025, Seite 10 / Feuilleton
Jazz

Auf Augenhöhe

Das Colin Steele Quartet verwandelt Popstücke der schottischen Gruppe The Blue Nile in Jazz
Von Alexander Kasbohm
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Eine gewisse Eleganz: Colin Steele Quartet

Erster Impuls: Warum soll ich dieses Album rezensieren, steht doch alles im Titel: »Jazz Interpretations of the Blue Nile Songbook«. Und doch: Wer kennt schon das Colin Steele Quartet? Oder The Blue Nile?

Fangen wir vorne an, in den mittleren 1980ern in Schottland. Der aus Edinburgh stammende Trompeter Colin Steele startete damals in Glasgow eine Karriere als Sessionmusiker, zu hören etwa auf Aufnahmen der eher mittelmäßigen, aber kurzzeitig recht erfolgreichen Soul-Pop-Band Hue and Cry aus dem Glasgower Umland. Offener Geist, der Steele ist, verarbeitet er später auf eigenen Platten lateinamerikanische Musik, Funk, schottischen Folk. Er phrasiert wie Miles Davis in den 1950ern, nur etwas weicher. Zuletzt erschienen »Diving for Pearls« (2016) mit Liedern des optimistischen Melancholikers David Scott und »Joni« (2020) mit Interpretationen ausgewählter Kompositionen von Joni Mitchell. Mit diesen Arbeiten brachte er Jazz zwar nicht auf ein neues Level, aber lag doch meilenweit über dem handelsüblichen Barjazz-Getröte, das gern entsteht, wenn sich Jazzer Popsongs schnappen. Was auch an Steeles inspirierter Songauswahl liegt, seiner zugleich einfühlsamen und unerwarteten Interpretation und nicht zuletzt an der hervorragenden Band mit Kontrabassist Calum Gourlay, Dave Milligan (Klavier und Arrangements) und Alyn Cosker am Schlagzeug.

The Blue Nile waren seit Mitte der 1980er die große schottische Sophistipop-Band um den Songwriter Paul Buchanan. Vor allem waren sie nicht Deacon Blue, mit denen sie immer wieder verwechselt wurden. Beide Bands trugen die Farbe Blau im Namen, kamen aus Glasgow, machten zur gleichen Zeit ähnliche Musik. Allerdings waren Deacon Blue sehr viel langweiliger. Das Stilvollste an ihnen war, dass sie ihren Bandnamen von einem der größten Songs Steely Dans entliehen hatten. The Blue Nile wiederum hatten keine richtigen Hits, aber eine gewisse Eleganz. Die Songs brauchten und bekamen Ruhe und Raum, nahmen sich Zeit und bieten sich insofern förmlich für die Colin-Steele-Behandlung an.

In Dave Milligans Arrangements treten die im Original oft verborgenen Hooks von Songs wie »Easter Parade«, »Headlights on the Parade«, »The Downtown Lights«, vor allem von »Body & Soul« etwas stärker hervor. In anderen Worten: Das Album kommt ohne den oft zwanghaften Originalitätsterror vieler Coverversionen aus, die kurzfristigen Novelty-Wert aus der Übertragung des Bekannten in ein ungewohntes Genre schöpfen. Colin Steeles und Dave Milligans Interpretationen stellen die Kompositionen von Paul Buchanan in eine passend zeitlose musikalische Umgebung. Die Atmosphäre der Originale bleibt erhalten. Manchmal wird sie sogar noch verstärkt.

Colin Steele Quartet: »Jazz Interpretations of the Blue Nile Songbook« (Marina)

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