Entrismus von rechts
Von Dieter Reinisch
Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zufolge liegt Reform UK, die rechte Partei von Nigel Farage, in der Gunst der britischen Wähler deutlich vorn: 29 Prozent der am Sonntag und Montag befragten, wahlberechtigten Briten würden der Partei ihre Stimme geben. Sieben Prozentpunkte dahinter die Sozialdemokraten der Regierungspartei Labour, abgeschlagen die Liberaldemokraten mit 17 Prozent, die damit aber sogar noch einen Punkt vor den Konservativen liegen. Deren Parlamentsfraktion würde bei Neuwahlen aktuell kaum noch vertreten sein: Mit dem Verlust von 102 Sitzen wären sie in einem neuen Parlament nur noch mit 19 Sitzen vertreten. Die Labour-Partei würde von 311 auf 100 Sitze abstürzen.
Wie deutlich der Aufstieg von Reform UK ist, wird an der Sitzverteilung sichtbar. Bei den Wahlen im Juli 2024 zog die Partei erstmals mit fünf Sitzen in das Unterhaus ein. Doch würde nun gewählt werden, könnte sie 347 bis 352 Sitze gewinnen und mit 29 Prozent der abgegebenen Stimmen, dank des britischen Mehrheitswahlrechts, die absolute Mehrheit im Parlament stellen – Nigel Farage wäre Premierminister.
Eine harte Migrationspolitik ist die zentrale politische Forderung der Nachfolgepartei von Farages UK Independence Party, wie die auf ihrer Homepage erklärt. Für britische Staatsbürger möchte sie hingegen die Teuerungskrise abfedern und »nationale Souveränität stärken«.
Viele der in Großbritannien aktiven faschistischen Gruppen, wie Britain First und die English Defense League, dürften hier eine Chance sehen, um Einfluss zu gewinnen. Durch gezielte Unterwanderungen wollen sie Reform UK noch weiter nach rechts drängen, berichtete die BBC am Sonntag. Zwei prominente Aktivisten aus der rechten Szene hätten derartige Pläne ausgearbeitet, schreibt der Sender. Der Influencer David Clews und der Gründer der Patriotic Alternative (PA), Mark Collett, rufen demnach ihre Anhänger dazu auf, Farages Partei zu »infiltrieren«, um ihre eigene »proweiße« und einwanderungsfeindliche Agenda voranzutreiben.
In den sozialen Medien behauptete Clews, Sympathisanten seien bereits in Reform UK aktiv und stellten »Ortsgruppenvorsitzende« und Personen »auf Kandidatenlisten«. Ein Sprecher von Reform UK erklärte dazu auf Anfrage der BBC, »Rechtsextremisten« seien in der Partei niemals willkommen. Es gebe ein »strenges Überprüfungsverfahren«.
Sowohl Clews als auch Collett waren Funktionäre der faschistischen British National Party und haben laut BBC eine »Absichtserklärung« unterzeichnet, um Reform UK »nach rechts zu ziehen«. In dieser Erklärung betonten beide: »Wir ermutigen alle unsere Unterstützer, aktive Organisatoren und Mitglieder von Reform UK zu werden und sich um die Kandidatur als Abgeordnete, Bürgermeister, Stadträte, Polizeikommissare, Abgeordnete, Forscher, Parteimitarbeiter usw. zu bewerben.«
Auch wenn die Führung von Reform UK dementiert, dass Faschisten Mitglieder und Funktionäre der Partei seien, ist deren zunehmende Sichtbarkeit bei Reform-Veranstaltungen zu bemerken. In den vergangenen Wochen waren bei Wahlkampfveranstaltungen zu den Nachwahlen in Schottland mehrfach PA-Aktivisten und Schilder zu sehen.
Bei einer Reform-Wahlkampfveranstaltung vergangenen Freitag zu den Nachwahlen in Hamilton, Larkhall und Stonehouse etwa waren PA-Transparente mit der Aufschrift »Antirassismus ist Hass gegen Weiße« zu sehen, wie die Tageszeitung Daily Record berichtete. Gegenüber der Zeitung betonte ein Reform-Sprecher, dass derartige Transparente »nichts mit der Partei zu tun haben«. Parteigründer Farage machte seine erste politische Erfahrung als Jugendlicher bei Aktionen gegen antifaschistische Demonstrationen in London in den späten 1970er Jahren.
Viele Beobachter erwarten, dass Reform UK bei den Nachwahlen am 5. Juni auch in Schottland gut abschneiden wird und den zweiten Platz hinter den schottischen Nationalisten der SNP belegen könnte. Bei den Nachwahlen in West Dunbartonshire vergangenen Freitag gelang dies bereits: Die Partei erreichte hinter der SNP den zweiten Platz und errang mehr Stimmen als Labour und Konservative zusammen.
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