Scharmützel um Betriebsrat
Von Jessica Reisner
Juristischer Zoff in der Arbeitswelt. Selten ist das nicht. Beispiel: Am Dienstag etwa verhandeln Cottbusser Arbeitsrichter kurioserweise vor dem Amtsgericht Senftenberg einen Gütetermin zu einer Unterlassungsaufforderung der UESA GmbH aus der Stadtgemeinde Uebigau-Wahrenbrück im südbrandenburgischen Elbe-Elster-Kreis gegen ein Exbetriebsratmitglied. Meinungsfreiheit im Betrieb, Mitbestimmungsrecht im Joballtag. Bei UESA scheint einiges durcheinanderzugehen. Vor allem, weil neben einer aggressiven Geschäftsführung ein offenbar managementnaher Betriebsrat (BR) im Spiel ist.
Bei der UESA produzieren und vertreiben 1.200 Beschäftigte Kabelverteilerschränke, Niederspannungsverteilungen und Automatisierungsanlagen. Jüngst erst war Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) anlässlich des 35jährigen Firmenjubiläums vor Ort. Er lobte die Firmenleitung und sprach von einer Brandenburger Erfolgsgeschichte.
Das sieht Thorsten Altmann anders. »35 Jahre ohne Tarifbindung ist keine Erfolgsgeschichte«, kommentierte der Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Elbe-Elster-Kreis, die Woidke-Lobhudelei auf UESA Anfang Juni 2025 auf dem Facebook-Account der Staatskanzlei.
Neben der jahrzehntelangen Bezahlung nach Gutdünken geht es beim Elektrounternehmen UESA auch hinsichtlich betrieblicher Mitbestimmung drunter und drüber. Gleich drei Betriebsratswahlen gab es in der vergangenen Legislaturperiode. Das klingt nach viel innerbetrieblicher Demokratie, ist aber ein Fall von Union Busting: ein Fall von Behinderung unternehmenskritischer Belegschaftsvertretung und gewerkschaftlicher Organisierung.
Im Frühjahr 2022 wählte die Belegschaft turnusmäßig. Die Liste der IG Metall (IGM) lag vorn. Darauf folgte eine Anfechtung durch Angestellte und Neuwahlen im Dezember 2022. Nun stellten gewerkschaftskritische Angestellte die Mehrheit im BR.
Die jetzt zu verhandelnde Unterlassung richtet sich gegen ein mittlerweile früheres BR-Mitglied der IGM-Liste, das sich 2023 erfolgreich gegen seine Versetzung wehrte. Auch weil der BR nicht angehört worden war. Die UESA strickte daraus den Vorwurf der Arbeitsverweigerung. Im Juni 2024 urteilte das Landesarbeitsgericht Berlin zugunsten des engagierten Angestellten.
Innerbetrieblich machten Arbeitskollegen mobil. Gegen das Ex-BR-Mitglied, wohlgemerkt. Ob seitens der Geschäftsführung angeleitet oder aus eigenem Antrieb? Unklar. Belegt ist hingegen, dass sie Unterschriften gegen das versetzungsunwillige Betriebsratsmitglied sammelten – auch mit Hinweis auf die Dauer von Krankschreibungen.
Zu Ende ist die Posse damit noch nicht. Der UESA-BR trat im Februar 2025 geschlossen zurück. Mit der so erzwungenen Neuwahl im Mai 2025 konnte sich der BR des wehrhaften Mitglieds endgültig entledigen.
Für den Grünen Altmann steht das rücksichtslose Vorgehen innerhalb des Unternehmens in direktem Zusammenhang »mit der politischen Verrohung im Kreis«. Bezugnehmend auf dessen UESA-Kritik schrieben anonyme Verfasser Beschwerdemails über Altmann an den CDU-Landrat des Elbe-Elster-Kreises, Christian Jaschinkski, an den »grünen« Landesgeschäftsführer von Brandenburg sowie an die »grüne« Landes- und Bundespressestelle.
Ein Zustand rund um UESA, der für Altmann erklärbar ist. Laut einer Studie des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2024 arbeiten mehr als 30 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Elbe-Elster-Kreis im Niedriglohnsektor. Elbe-Elster steht bei den Nettoeinkommen auf Platz 359 der 400 deutschen Landkreise. Frust wegen der persönlichen ökonomischen Situation bereite Altmann zufolge der AfD den Boden für Wahlerfolge. Ein Betrieb wie die UESA könnte das Lohnniveau seiner Einschätzung nach anheben und damit insgesamt ein besseres gesellschaftliches Klima schaffen.
Landrat Jaschinski schwärmt hingegen auf Anfrage der Autorin für eine Recherche der »Aktion gegen Arbeitsunrecht« vom sozialen Engagement von UESA und erklärt, dass fehlende Tarifbindung nicht unbedingt zum Nachteil der Belegschaft sein müsse. Und die IGM? Die verweist auf Anfrage auf die oben zitierte WSI-Studie und scheint mit ihrem Engagement vor Ort zufrieden.
Und der geschasste, gewerkschaftlich organisierte Betriebsrat? Die Unterlassungsaufforderung von UESA vom Februar dieses Jahres will er nicht unterschreiben, statt dessen sich weiterhin kritisch zu Betriebsvorgängen äußern.
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