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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 11 / Feuilleton
Komische Kunst

Der gute Geist

Ernst Kahl ist tot
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»Vergessene Katastrophen«: Ernst Kahl (M.) mit Regisseur Detlev Buck bei der Ausstellungseröffnung zu seinem 70. Geburtstag im Caricatura-Museum Frankfurt am Main (7.2.2019)

Der Künstler, Musiker und Drehbuchautor Ernst Kahl ist tot. Er starb nach langer Krankheit bereits am Sonnabend in Schwabstedt (Nordfriesland). Das teilten am Mittwoch im Namen der Familie das Caricatura Museum Frankfurt, das Satiremagazin Titanic und der Verlag Antje Kunstmann mit.

Kahl galt als »Universalgenie der Komik« (Oliver Maria Schmitt). Am 11. Februar 1949 in Kirchbarkau bei Kiel geboren, brach er zwei Lehren ab, studierte kurzzeitig in Hamburg und verdingte sich als Leichenwäscher. Seine Zeichnungen für Publikationen wie Pardon, Titanic, Konkret, Kowalski, Stern oder die Süddeutsche Zeitung erfreuten sich schnell großer Beliebtheit. Kahl schuf auch Gemälde, Collagen und Installationen, wobei er sich souverän verschiedenster (Misch-)Techniken bediente und Motive der Kunstgeschichte aufgriff.

Eine erste große Einzelausstellung zeigte 1994 das Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Das Caricatura-Museum in Frankfurt am Main würdigte ihn 2019 zu seinem 70. Geburtstag mit einer Werkschau. Gerhard Henschel schrieb damals in dieser Zeitung: »Was in Kahls Bildern immer wieder durchscheint, ist der gute alte Geist, der Zwölfjährige dazu animiert, Toilettenwände zu bekritzeln (…) Er malt uns so, wie er uns sieht, und sei es auch als Erbsen zählende Ratten, als verfressene Schweine, als Skat spielende Melonen, als Norwegens letzte Nacktdruiden oder als pikierte Schleiereulen am FKK-Strand von Timbuktu.«

Doch auch in anderen Künsten hatte Kahl Erfolg, er veröffentlichte Musik und schrieb Drehbücher für Filme wie »Werner – Beinhart!« oder »Die drei Mädels von der Tankstelle«. Für »Wir können auch anders …« erhielt er 1993 mit Detlev Buck den Bundesfilmpreis. 2007 wurde Kahl der Göttinger Elch zugesprochen, der angesehenste Preis für Komische Kunst im deutschsprachigen Raum. Die Jury erklärte damals, Kahl sei »ein Poet des Alltäglichen, ein Magier des Undenkbaren. Wenn Kahl irgendwo Grenzen wittert, weiß er, was zu tun ist.« Zwei Jahre später folgte der Wilhelm-Busch-Preis. In seiner Laudatio würdigte jW-Kolumnist Wiglaf Droste Kahl als »stillen Provokateur«. (jW)

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