Algiers Förderband für Erz
Von Sabine Kebir
Die letzten Betonschwellen wurden am Sonntag gelegt. Damit ist ein Infrastrukturprojekt zum Abschluss gebracht worden, das den Südwesten von Algerien sowohl wirtschaftlich als auch verkehrstechnisch erschließt. Von der Küstenstadt Oran reichen jetzt Eisenbahnverbindungen bis zur etwa 50 Kilometer von der mauretanischen Grenze entfernten Eisenerrzmine Gâra Djebilet. Bislang endeten die Bahnlinien in Bechar. Die weiter im Süden der Sahara liegenden Gebiete waren lediglich durch Autobahnen mit dem Norden verbunden.
Die schon 1952 entdeckte Mine von Gâra Djebilet ist mit einer Ausdehnung von 131 Quadratkilometern eine der größten der Welt und galt lange nicht nur wegen ihrer isolierten Lage, sondern auch wegen des hohen Phosphatgehalts des Erzes als womöglich unwirtschaftlich. Als Algerien und Marokko 1972 einen Vertrag über die gemeinsame Ausbeutung beschlossen, strebten beide Länder noch die Realisierung einer Wirtschaftsgemeinschaft des Großen Maghreb an. Außerdem erschien der Abtransport des Erzes zum Export in marokkanische Atlantikhäfen eher möglich als zur algerischen Mittelmeerküste. Weil Marokko drei Jahre später völkerrechtswidrig die Westsahara besetzte, blieb der Vertrag totes Papier.
Durch einen Kooperationsvertrag mit China konnte Algerien 2017 einen neuen Anlauf zur Erschließung der Mine nehmen. Da chinesische und algerische Laboratorien erfolgreich Verfahren zur Entphosphorisierung des Erzes entwickelten, konnte der Abbau 2022 beginnen. 2023 hatte sich China zur Unterstützung des Baus der 575 Kilometer langen Eisenbahntrasse von Gara Djebilet bis Tindouf bereit erklärt, die am Sonntag fertiggestellt wurde. Die von algerischen Unternehmen in Eigenregie errichteten neuen Linien bis Tindouf und von dort bis Bechar waren bereits seit einigen Monaten fertig. Täglich sollen zehn Züge mit jeweils siebzig Waggons von Gâra Djebilet gen Norden rollen. Und mit zunächst vier Personenzügen entsteht auch für die Bewohner der südwestlichen algerischen Sahara und die dort bereits ansässigen Unternehmen eine günstige Alternative zum Transport auf den Autobahnen.
Seit 2022 werden in Gâra Djebilet bis zu drei Millionen Tonnen Erz jährlich gefördert. Dank der neuen Transportwege sollen es bis 2026 zwischen vierzig und fünfzig Millionen Tonnen werden. Und das Erz ist nicht mehr nur für den Export bestimmt. Algerien kann es an verschiedenen Standorten selbst zu Stahl verarbeiten, den es wiederum zum Ausbau weiterer Infrastrukturprojekte benötigt. Ebenfalls in Kooperation mit China entsteht für eine Milliarde US-Dollar in Bechar ein Stahlwerk, das unter anderem Schienen produzieren und Erz entphosphorisieren soll. Ein Teil davon wird nach China exportiert, das die Herkunft seiner Erzimporte diversifizieren möchte.
Marokko reagierte verstimmt auf das algerisch-chinesische Projekt der Erschließung der Erzvorkommen von Gâra Djebilet. Angeblich liegen sie in einem einst zu Marokko gehörenden, von Frankreich abgetrennten Territorium. Und da die im Vertrag von 1972 für die gemeinsame Realisierung des algerisch-marokkanischen Projekts festgeschriebenen sechzig Jahre noch nicht abgelaufen sind, prüft das Königreich, ob Algerien beim Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden kann.
Die enge Kooperationsbeziehung zwischen China und Algerien ist dagegen seit langem stabil. Sie reicht bis weit vor dessen Unabhängigkeit 1962 zurück. Die Volksrepublik erkannte die in Tunis residierende provisorische Regierung Algeriens bereits 1958 diplomatisch an – zwei Jahre vor der Sowjetunion. Im Mai dieses Jahres besuchte eine Veteranengruppe von 27 algerischen Piloten die Volksrepublik, die dort in den fünfziger Jahren zum Führen und Warten von Flugzeugen sowie für den Luftkampf geschult worden waren. Die Unabhängigkeitsbewegung konnte zwar keine Flugzeuge einsetzen, aber für die sich im größten Flächenland Afrikas schnell entwickelnde Luftfahrt stellten die jungen Männer den ersten Grundstock an qualifiziertem Personal dar.
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