Tony Blair und die »Gaza-Riviera«
Von Dieter Reinisch
Am vergangenen Freitag jubelten in Cardiff 78,000 Fans der Britpop-Band Oasis zu. Schon 1997 feierten die Gallagher-Brüder den Wahlsieg des Labour-Politikers Tony Blair zum Premierminister Großbritanniens. Während die Rückkehr der Brüder zu ihren Oasis-Wurzeln für Euphorie sorgt, ist jene von Blair von weniger Begeisterung begleitet. Blair und seine Berater gehören nämlich zum engsten Stab von Regierungschef Keir Starmer, der eine ähnlich neoliberale Politik fährt wie Labour in den späten 1990er Jahren.
Auch außenpolitisch ist Blair weiterhin eine große Nummer: Er betreibt das »Tony Blair Institute for Global Change« (TBI) in London. Unter sozialdemokratischem Deckmantel macht er damit transatlantische Kriegspolitik. Im September 2023 holte er dazu die ehemalige Regierungschefin Finnlands, Sanna Marin, ins Boot. Unter der zuerst als sozialdemokratische Hoffnungsträgerin geltenden Marin wurde die finnische Neutralität abgeworfen und das Land in die NATO geführt. Dazu passt, dass Blairs Thinkthank bei der Aufrüstung der Ukraine und der Verlängerung des Kriegs eine wichtige Rolle spielt.
Doch auch bei einem weiteren außenpolitischen Thema mischt Blair mit: Wie die Financial Times (FT) am Sonntag berichtete, beteiligte sich das TBI an der Entwicklung von Nachkriegsplänen für Gaza. Dazu gehören zwei Projekte, die Anfang des Jahres von der US-Regierung unter Donald Trump vorangetrieben wurden: die »Gaza Riviera« und eine Sonderwirtschaftszone namens »Elon Musk Smart Manufacturing Zone«. Der FT liegt unter anderem eine Präsentation von israelischen Geschäftsleuten unter Mitarbeit der Boston Consulting Group (BCG) vor, in der es darum geht, »Gaza als florierenden Handelsplatz neu zu konzipieren«. Der Plan mit dem Titel »Great Trust« wurde der Trump-Regierung vorgelegt und sah vor, eine halbe Million Palästinenser für das Verlassen ihrer Heimat zu entschädigen und anschließend private Investoren zu gewinnen.
An der Erarbeitung der Projektpläne waren auch zwei TBI-Mitarbeiter beteiligt, was dort auf Anfrage der FT zunächst geleugnet wurde. Erst als Screenshots einer internen Chatgruppe mit zwölf Personen vorgelegt wurden, gab das TBI zu, ihre zwei Mitarbeiter seien »zum Zuhören« beigefügt worden. FT berichtet jedoch, der Chatgruppe sei ein umfangreiches Dokument über das Nachkriegs-Gaza, verfasst von einem Mitarbeiter des Thinktanks, zur Prüfung vorgelegt worden. Darin inkludiert waren die Idee der »Gaza-Riviera« mit künstlichen Inseln vor der Küste, ähnlich denen in Dubai, blockchainbasierte Handelsinitiativen, ein Tiefwasserhafen zur Anbindung Gazas an den Wirtschaftskorridor Indien-Nahost-Europa sowie Niedrigsteuer-Sonderwirtschaftszonen. Im Dokument heißt es, der verheerende Krieg in Gaza habe »eine einmalige Gelegenheit geschaffen, Gaza von Grund auf als sichere, moderne und wohlhabende Gesellschaft wiederaufzubauen«.
Die Verstrickungen sind noch weitreichender, wie Middle East Eye ebenfalls am Sonntag berichtete: Zu der Gruppe, die Pläne für eine Gaza-Riviera ausarbeitete, gehörten demnach der israelische Technologieinvestor Liran Tancman und der Risikokapitalgeber Michael Eisenberg. Beide waren, wie die Washington Post Ende Mai berichtete, an der Gründung der sogenannten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) beteiligt. Die Stiftung solle hohe Gewinne durch die Monopolisierung der humanitären Hilfe in Gaza erwirtschaften, heißt es. Seitdem die GHF Ende Mai ihre Arbeit in dem Küstenstreifen aufgenommen hat, sind laut jüngsten Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörde bei dem Versuch, an Hilfsgüter zu gelangen, zirka 700 Menschen getötet und mehr als 4.000 verletzt worden.
Phil Reilly, der laut Middle East Eye acht Jahre lang als leitender Berater bei BCG tätig war, traf sich demnach Anfang des Jahres in London mit Blair, um über »Hilfsprogramme« für Gaza zu reden. Blair ist Ehrenvorsitzender des britischen Zweigs des Jüdischen Nationalfonds, der eine Million Pfund an die nach eigenen Angaben »größte Miliz Israels« spendete, die Bürgerwehr Hashomer Hachadash – und Palästina von seinen offiziellen Landkarten strich.
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