Nur das halbe Team
Von Bernard Schmid, Paris
Ein französisches Sprichwort besagt: »Die Abwesenden haben immer Unrecht.« Aber ob die Anwesenden in Zukunft ohne sie gewinnen können, steht auf einem anderen Blatt. Am Mittwoch versammelten sich Vertreter mehrerer französischer Linksparteien sowie gesellschaftlicher Organisationen in der Pariser Vorstadt Bagneux. Das Ziel: einen gemeinsamen Kandidaten sowie ein Programm für die kommenden Präsidentschaftswahlen 2027 zu finden. Unter den Teilnehmern waren auch die beiden stärksten Gewerkschaftsdachverbände des Landes, die CFDT und die deutlich linkere CGT, deren jeweilige Generalsekretärinnen – Sophie Binet für die CGT und Maryse Léon für CFDT – allerdings Stellvertreter aus der zweiten Reihe entsandt hatten.
Selbst gekommen waren unter anderem der Vorsitzende des Parti Socialiste (PS), der eher rechtssozialdemokratischen früheren Regierungspartei, die zuletzt von 2012 bis 2017 an der Regierung war, Olivier Faure. Er hat die Partei seit 2022 nach links geöffnet. Auch dabei war die Vorsitzende der Ökologen, Marine Tondelier. Vertreten waren zudem mehrere ehemalige Abgeordnete von La France insoumise (LFI, »Das unbeugsame Frankreich«), wie François Ruffin und die Feministin Clémentine Autain. Zu ihrem Austritt hatten Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorsitzenden Jean-Luc Mélenchon geführt. Vertreter der Partei waren jedoch ebenso abwesend wie solche der Kommunistischen Partei (KP).
Moderiert wurde das Treffen von Lucie Castets, die nach dem Wahlsieg des linken Wahlbündnisses Neue Volksfront (NFP) bei den vorgezogenen Neuwahlen im Juli 2024 als Kandidatin für den Posten der Premierministerin angetreten war. Doch spätestens seit Anfang des Jahres befindet sich das Bündnis in einem Zersetzungsprozess. Der Grund: Die Sozialdemokraten votierten bei einem Misstrauensvotum gegen den rechten neuen Premierminister François Bayrou, das von LFI, Ökologen und Kommunisten eingebracht worden war, lieber für den Regierungschef als gemeinsam mit den Rechten vom Rassemblement National (RN).
Und hier kommen nun die Abwesenden ins Spiel. In Vorwahlumfragen kommt Mélenchon, wenn er denn wie vielfach erwartet trotz seines 2022 erklärten »Rückzugs aus der Politik« zum vierten Mal kandidiert, derzeit auf 13 Prozent. Der sozialliberale Raphaël Glucksmann, der eine eigene Kleinpartei – La Place publique – anführt, aber eine erhebliche Ausstrahlungskraft auf den rechten Flügel der Sozialisten besitzt, auf elf Prozent. Auch er blieb dem Treffen fern. Alle anderen Kandidaten des erodierten Zusammenschlusses liegen in den Umfragen weit hinter den beiden. Dennoch will der sozialliberale Flügel des PS um keinen Preis erneut ein Linksbündnis unter Einschluss von LFI oder auch der Französischen KP unter Fabien Roussel eingehen. Dieser steht einer gemeinsamen Kandidatur nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Er stellt sie allerdings unter den Vorbehalt, dass erst das Programm geklärt sowie die Kommunalwahlen im März 2026 über die Bühne gegangen sein müssten.
Umgekehrt will auch Mélenchon keinen Prozess für eine gemeinsame Kandidatur, da er sich selbst für den natürlichen Kandidaten der Linken hält. Unter den Beteiligten ist die LFI die mit dem am radikalsten formulierten Programm. Allerdings werden ihre Strukturen von anderen Linkskräften und zaghaft auch von innen kritisiert. Im Unterschied zur KP, die seit ihrer Gründung 1920 immer größten Wert darauf legt, durch formalisierte kollektive Strukturen jeden linken »Cäsarismus« auszubremsen, ist die Struktur von LFI bonapartistisch.
Die anwesenden Kräfte der Sozialisten, Ökologen, Génération.s und von Debout! und L’Après einigten sich am Mittwoch sodann auf einen Grundsatzbeschluss, eine gemeinsame Kandidatur einzufädeln. Eine genaue Methode wurde jedoch nicht definiert, es dürfte aber auf eine Urwahl von Mitgliedern und Sympathisanten hinauslaufen. Beschlossen wurde auch, dies erst zwischen Mai und Dezember 2026 durchzuführen, also nach den Kommunalwahlen – vielleicht in der Hoffnung, dass dann derzeitige Streitigkeiten ruhen.
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