Braune Truppe auf der Anklagebank
Von Max Ongsiek
Dortmund hat zwei Gesichter. Die Ruhrgebietsstadt ist nicht nur weltoffene Fußballmetropole, sondern auch westdeutsche Neonazihochburg. Vor der Staatsschutzkammer des Dortmunder Landgerichts startete am Donnerstag der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der im Oktober 2020 verbotenen Organisation »Combat 18«. Im Untergrund sollen die militanten Faschisten die Gruppe weiterbetrieben haben, so der Vorwurf. Die vier Angeklagten, allesamt zwischen 40 und 49 Jahren alt, stammen aus vier verschiedenen Städten: aus Eisenach in Thüringen, Daun in Rheinland-Pfalz, Gießen in Hessen und Dortmund. Zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft habe sich bislang keiner der Neonazis geäußert, meldete dpa.
Zunächst habe der Strafverteidiger die Besetzung des Gerichts moniert. Er bezweifelte die Verhandlungsfähigkeit einer Laienrichterin, die sich wenige Tage vor Beginn des Prozesses krankgemeldet hatte. »Das bisherige Attest ist keinesfalls ausreichend«, bemängelte er. Dennoch wurden erste Zeugen, nämlich Beamte des Bundeskriminalamts, vernommen. Diese haben sich unter anderem mit der Auswertung der Mobiltelefone der Angeklagten befasst. Allerdings habe eine Beamtin des Bundeskriminalamts auf Nachfrage der Verteidiger beim Betrachten der Fotoaufnahmen einer Wanderung in Thüringen »keinen politischen Bezug« erkannt haben wollen.
Laut Anklageschrift hätten die Beschuldigten die Vereinigung gemeinsam mit anderen Mitgliedern nach dem Verbot bis Frühjahr 2022 weiterbetrieben. Den angeklagten Neonazis sei dabei eine zentrale Rolle zugekommen. Angeführt von Stanley R. soll die Gruppe ab Ende Oktober 2020 bis zu einer Razzia 2022 mindestens 14 Treffen ausgerichtet haben. Eine dieser Zusammenkünfte habe beispielsweise in einem wehrsportartigen »Leistungsmarsch« vom Hermannsdenkmal zu den Externsteinen bestanden. Die in diesem Rahmen durchgeführten Aufnahmeverfahren für sogenannte Supporter, also Anwärter, seien von Keven L. und Robin S. betreut worden.
Gregor M. wird vorgeworfen, für die Vereinigung Rechtsrockkonzerte organisiert und zusammen mit Stanley R. Tonträger und Neonazimode vertrieben zu haben, heißt es weiter in der Anklage. Insbesondere Stanley R. soll ferner die Vernetzung mit weiteren faschistischen Gruppen vorangetrieben haben, darunter etwa die in Eisenach angesiedelte Neonazikampfsportgruppierung »Knockout 51«. Die internationale Vernetzung der Neonazigruppe habe der Inlandsgeheimdienst schon 2016 festgestellt, berichtete Tagesschau.de am Donnerstag. Demnach seien Mitgliedsbeiträge vom deutschen »Combat 18«-Ableger ins EU-Ausland transferiert worden, unter anderem an die ungarische »Blood and Honour«-Sektion.
Zum Verbot von »Combat 18« erklärte das damals von Horst Seehofer (CSU) geleitete Bundesinnenministerium (BMI) in einer Pressemitteilung, dass die Gruppe in der »rechtsextremistischen Szene ein hohes Ansehen« genieße und »eine Vorbildfunktion« in der gewaltbereiten Neonaziszene innehabe. Bei »Combat 18 Deutschland« handele es sich, so die BMI-Darstellung, um die deutsche Variante der gleichnamigen, 1992 als »Saalschutztruppe« der faschistischen »British National Party« gegründeten »Combat 18«. Der Code »18« stehe für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets und bedeute »Adolf Hitler«. »Combat 18« könne somit als »Kampfgruppe Adolf Hitler« übersetzt werden.
Für Ferat Koçak, Mitglied der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, stellt der Prozess ein »alarmierendes Symbol« dafür dar, »dass rechtsextremer Terror auch heute noch tief in dieser Gesellschaft eine Rolle spielt.« Zwar sei die »Strafverfolgung wichtig«. Sie dürfe »aber nicht das Ende der Auseinandersetzung sein«, erklärte Koçak gegenüber jW. Für den Prozess sind noch Verhandlungstage bis September angesetzt.
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