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Aus: Ausgabe vom 27.06.2025, Seite 4 / Inland
Geheimdienste im Parlamentarismus

Linke will Geheimklub beitreten

Bundestag verringert Posten in Kontrollgremium. Fraktionsvorsitzende Reichinnek bangte um Stimmen der Union
Von Kristian Stemmler
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Gehen nicht zum ersten Mal auf die Union zu: Heidi Reichinnek und Sören Pellmann im Bundestag (Berlin, 3.6.2025)

Die FAZ nannte die Linke-Abgeordnete in einem Kommentar vom Donnerstag eine »bekennende Klassenkämpferin«, die eine Fraktion führe, »die Linksextremisten in ihren Reihen duldet«. Die Unionsfraktion im Bundestag sieht Heidi Reichinnek, Kovorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, offenbar genauso. CDU und CSU wollten ihr am Donnerstag die Stimmen verweigern, die sie für ihre Wahl in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) benötigte. Das PKGr, welches offiziell die drei Geheimdienste der BRD – BND, Bundesamt für Verfassungsschutz, MAD – demokratisch kontrollieren soll, war am Nachmittag vom Parlament eingesetzt worden.

Ferner war mit Mehrheit beschlossen worden, die Zahl der Mitglieder des Gremiums von 13 auf neun zu reduzieren. Drei Sitze entfallen künftig rechnerisch auf die Union, jeweils zwei auf AfD und die SPD. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wären, wenn ihre Vertreter gewählt werden, mit jeweils einem Abgeordneten vertreten. Wer die Posten jeweils besetzen wird, war bis jW-Redaktionsschluss noch unklar. Die AfD-Kandidaten fielen allerdings in den vergangenen Legislaturperioden bei der Besetzung des PKGr immer durch.

Gegenüber dem Spiegel hatte der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Hoffmann die Ablehnung Reichinneks bereits am Freitag vergangener Woche mit den Worten begründet, das PKGr gehöre »zum Kernbereich der Sicherheitsarchitektur unseres Landes«. Das »hochsensible Gremium« brauche »passendes Personal statt parteipolitischer Provokation«, erklärte Hoffmann zur Nominierung Reichinneks. Mit einem Appell und einer Drohung an CDU und CSU hatte Reichinnek einige Stunden vor der Abstimmung noch versucht, das Ruder herumzureißen.

Sie erwarte, »dass die Union mit ihren fakten- und substanzlosen Anwürfen aufhört und der Linksfraktion den ihr zustehenden Platz im PKGr ermöglicht«, erklärte sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) laut Bericht vom Donnerstag morgen. Falls die Union sich verweigere, müsse ihre Fraktion sich »Gedanken machen über die weitere Zusammenarbeit«. Die Union sei »an vielen Stellen auf uns angewiesen, etwa bei der Wahl von Verfassungsrichtern oder der Reform der Schuldenbremse«.

CDU und CSU seien »die einzigen, die die Wahl für ein personal- und parteipolitisches Machtspiel missbrauchen«, kritisierte Reichinnek. Ihre Fraktion habe sie aufgrund ihrer parlamentarischen Erfahrungen für das PKGr nominiert. Darüber hinaus sei sie »über Parteigrenzen hinweg anerkannt für meinen Einsatz für die Demokratie«, und »die Menschen in diesem Land« brächten ihr großes Vertrauen entgegen, wie Umfragen belegen würden. Für die Kontrolle der Geheimdienste brauche es auch die demokratische Opposition, führte die Linke-Politikerin aus. Im übrigen habe ihr »noch niemand einen Grund genannt, warum ich für diese Aufgabe nicht geeignet sein sollte«.

Im Gegensatz zu Hoffmann hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci die Linke-Fraktionschefin als »wählbar« bezeichnet. Es gebe »keine Gründe, sie nicht zu wählen – anders als bei den Kandidaten der AfD«. Schützenhilfe hatte Reichinnek auch vom Linke-Fraktionsvorsitzenden Sören Pellmann erhalten. Die Union habe seiner Parteikollegin offenbar »die deutliche Kritik am Schulterschluss mit der AfD nicht verziehen«, hatte er laut Taz vom Dienstag erklärt. Die wichtige Funktion der Kontrolle der Geheimdienste »für parteitaktische Scharmützel« zu nutzen stehe der Union nicht gut zu Gesicht.

Bei der Besetzung des geheim tagenden Gremiums gab es gleich mehrere brisante personelle Entscheidungen. So nominierte die SPD-Fraktion Ralf Stegner für diese Legislaturperiode nicht mehr. Er wurde vermutlich dafür abgestraft, dass er zu den Mitinitiatoren des »Manifests« von SPD-Politikern gegen Hochrüstung und für einen Dialog mit Russland gehörte. Die Unionsfraktion ersetzte Roderich Kiesewetter, der zuletzt stellvertretender Vorsitzender des Gremiums gewesen war. Medienberichten zufolge ist Kiesewetter bei der Parteiführung in Ungnade geraten, weil er sich mehrfach gegen CDU-Parteichef Friedrich Merz positionierte.

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