Nicht passiv bleiben
Von Marc Bebenroth
Die zum Teil von weit her angereisten Genossenschaftsmitglieder füllten den begrenzten Platz in der jW-Maigalerie am Sonnabend vollständig aus. Die ordentliche Generalversammlung der LPG junge Welt e G begann aufgrund des großen Andrangs mit etwas Verzögerung. 125 von inzwischen über 3.000 Genossinnen und Genossen waren in die Berliner Torstraße gekommen.
»Wir sind oberhalb der Wahrnehmungsschwelle. Man schweigt junge Welt nicht mehr tot«, betonte Verlagsleiter Sebastian Carlens. Das sei nicht nur eine wichtige Grundlage für das weitere Wachstum der Genossenschaft und eine größere Reichweite der Zeitung, sondern sorge auch für größere Aufmerksamkeit staatlicher Organe. Bereits jetzt führe die Nennung der Zeitung und der LPG in Berichten des Inlandsgeheimdienstes zu materiellem Schaden. Das sei auch die erklärte Absicht. Es werde mit der »gesamten Palette« geheimdienstlicher Methoden »gegen uns vorgegangen«.
Man bleibe aber nicht passiv. Prozesse werden geführt, Klagen eingereicht. »So einfach ist junge Welt nicht einzuschüchtern«, betonte Carlens. Nicht locker lasse man auch gegenüber anderen Akteuren. So habe der RBB sich nicht an einen Vertrag zur Ausstrahlung von Werbespots gehalten, weshalb der Streit um die dafür vereinbarte Bezahlung vor Gericht ging. Doch beim ersten Verhandlungstermin am Freitag vor dem Landgericht Berlin II habe das Verhalten der Richterin bereits vor Anhörung der Streitparteien zum Abbruch der geführt: Johannes Eisenberg, Anwalt des Verlags, stellte einen Befangenheitsantrag.
Der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Michael Sommer, betonte in seinem Rechenschaftsbericht, die Genossenschaft wolle dem Verlag auch in Zukunft eine »Kampfreserve« liefern, die es unter anderem ermögliche, dass »solche Mammutverfahren« wie die Klage gegen die Nennung im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz überhaupt erst geführt werden können. Es bleibe eine der Hauptaufgaben des LPG-Vorstandes, »weitere Mitglieder zu gewinnen«. Eine entsprechende Kampagne sei im vergangenen Jahr mit großem Erfolg durchgeführt worden. Aufgrund eines Zuschusses für die Rosa-Luxemburg-Konferenz schließt die Genossenschaft das Geschäftsjahr 2024 mit einem Verlust von rund 21.000 Euro ab, während die genossenschaftseigenen Unternehmen AVZ und Verlag 8. Mai mit Überschüssen von jeweils etwa 10.000 Euro abschließen konnten.
Der Versuch einiger anwesender Genossenschaftsmitglieder, in der Diskussion die 2024 erfolgte Ablösung des ebenfalls anwesenden ehemaligen jW-Chefredakteurs Stefan Huth zum Thema zu machen, wurde von Verlagsgeschäftsführer Dietmar Koschmieder und auch von anderen Diskussionsrednern teils scharf zurückgewiesen. Dabei wurde betont, dass der Verlag und Huth sich zur Beendigung einer juristischen Auseinandersetzung in einem Vergleich darauf verständigt haben, das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar zu beenden. Und grundsätzlich sei die Genossenschaftsversammlung nicht der Ort, um Personalangelegenheiten zu diskutieren.
Zur Abstimmung standen ein – mit großer Mehrheit abgelehnter – Antrag zur künftigen Besetzung der leitenden Gremien der Genossenschaft, der einen Bruch mit dem bisher erfolgreichen Modell dargestellt hätte, sowie ein Aktionsprogramm. Darin verpflichten sich die Genossenschaftsmitglieder unter anderem, sich an der laufenden Kampagne »1.000 Abos jetzt« für junge Welt zu beteiligen, die Erstellung eines Films zum 30jährigen Bestehen von LPG und Verlag 8. Mai zu unterstützen sowie bis zu 50.000 Euro für die Wiederbelebung des Kulturmagazins Melodie & Rhythmus bereitzustellen. Die Generalversammlung stimmte dem Vorschlag des Vorstandes zu, sich mit notwendigen Satzungsänderungen zu befassen und diese zur nächsten regulären Generalversammlung vorzustellen.
Außerdem sollte ein neuer Aufsichtsrat gewählt werden. Wegen der großen Zahl von gleich acht Kandidatinnen und Kandidaten für den dreiköpfigen Aufsichtsrat konnte in zwei Wahlgängen keine Kandidatur das nötige Quorum von mindestens zwei Dritteln der gültigen Stimmen auf sich vereinen. Die meisten Stimmen erhielten in beiden Wahlgängen die Genossin Brigitte Jelkmann und die Genossen Eckehard Schlauß und Andreas Hüllinghorst. Schlauß und Hüllinghorst gehören bereits dem bisherigen Aufsichtsrat an. Die Wahl soll bei einer außerordentlichen Genossenschaftsversammlung voraussichtlich im Herbst fortgesetzt werden. Der aktuelle Aufsichtsrat bleibt damit kommissarisch im Amt.
Im Anschluss konnten sich dann die Genossinnen und Genossen bei einem Glas Mojito zu kubanischen Klängen des Trios Son Batey und mit einigen Gästen von der anstrengenden Versammlung erholen.
Hinweis: In einer ersten Fassung des Beitrag hieß es, der Rechtsstreit zwischen der Verlag 8. Mai GmbH und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg werde vor dem Verwaltungsgericht Berlin verhandelt. Es handelt sich allerdings um das Landgericht Berlin II. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. (jW
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Peter Naumann aus München (24. Juni 2025 um 06:39 Uhr)Die Herausgabe vom Magazin »Melodie & Rhythmus« ist begrüßenswert, wenn wirklich auch Etikett und Inhalt identisch sind und keine Mogelpackung. Das heißt, es muss ein MUSIK-Magazin mit Inhalten zu den verschiedenen Musikgenres sein und Quersträngen zu Literatur (Biografie und Autobiografie), Theater (Musikkabarett, Revue, Musical), Film, Radio & Fernsehen, Computer (Konzertfilm, Biopic, Musik-Dokumentation & -Reportage, Unterhaltungssendung, YouTube & Co., Computerspiel- und Video-Musik), Design (Konzert-Plakat, Albumhüllen), Bildende Kunst (Foto-Porträts aus dem Leben von Bands & Interpreten, Ausstellungen), Journalismus (Form und Inhalt von Konzert-Kritik), Politik & Gesellschaft (Friedens- und antifaschistische Konzerte, Antirassismus, Polit-Folk & -Rock, Musikindustrie) sowie Pro- und Contra-Debatten zu diversen Musikthemen. Das hat dann symbolisch Melodie und Rhythmus – und dann haben Sie auch mein Abonnement!
- Antworten
Ähnliche:
- jW Archiv09.04.2025
Das Schweigekartell durchbrechen
- Anna Joerke/jW20.02.2025
Unter Polizeibeobachtung
- Ivett Polyak/jW28.09.2024
junge Welt mit Doppelspitze
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Bahnanenrepublik BRD
vom 23.06.2025 -
»In dem Revier herrschte Willkür«
vom 23.06.2025 -
United for Gaza
vom 23.06.2025 -
Big Brother in Berlin
vom 23.06.2025 -
Galeria vor nächster Krise
vom 23.06.2025 -
Minidosis für Krankenhäuser
vom 23.06.2025 -
»Einige würden sich lieber umbringen, als zurückzugehen«
vom 23.06.2025 -
Linke-Kovorsitzender Jan van Aken fordert Fortsetzung von Atomgesprächen mit Iran
vom 23.06.2025