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Aus: Ausgabe vom 21.06.2025, Seite 6 / Ausland
Thailand

Paetongtarn wackelt

Geleaktes Telefonat bringt Thailands Regierungschefin schwer in Bedrängnis
Von Thomas Berger
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Kritik am Militär kommt in Thailand nicht gut an: Paetongtarn Shinawatra bittet am Donnerstag öffentlich um Entschuldigung (Bangkok)

In Thailand hängt die Regierung von Paetongtarn Shinawatra, die erst seit knapp einem Jahr im Amt ist, am seidenen Faden. Die Koalition ist durch den Rückzug eines wichtigen Partners stark geschwächt, ein weiterer droht mit Austritt. Auslöser der innenpolitischen Krise ist ein geleaktes Telefonat der Premierministerin mit dem kambodschanischen Senatschef Hun Sen, der das östliche Nachbarland fast vier Jahrzehnte regiert hatte, bevor er die Herrschaft an seinen Sohn Hun Manet übergab. Bei dem Gespräch bezeichnete die 38jährige Paetongtarn den Exstaatschef an einer Stelle freundschaftlich-respektvoll als »Onkel« und erklärte, dass sie unter innenpolitischem Druck stehe. Sie forderte ihn auf, nicht auf die »Gegenseite« zu hören, zu der auch ein prominenter thailändischer Militärkommandant an der Grenze gehört. Hun Sen gab an, den Audiomitschnitt an 80 Politiker weitergegeben zu haben, einer davon habe das Gespräch geleakt. Vor allem die Kritik am Militär fällt Paetongtarn nun auf die Füße: Eine Gruppe der sogenannten Gelbhemden, besonders königstreue Konservative, demonstrierten am Donnerstag vor dem Regierungssitz in Bangkok und forderten ihren Rücktritt.

Hintergrund ist die kürzliche Eskalation im jahrzehntelangen Streit über Details im Verlauf der 800 Kilometer langen Grenze. Am 28. Mai war eine kambodschanische Militäreinheit in ein Stück Niemandsland am Rande der thailändischen Provinz Ubon Ratchathani vorgedrungen und hatte einen Vorposten errichtet. Bei einem kurzen Gefecht starb ein Soldat aus Kambodscha. Auch nach dem Rückzug bleibt die Stimmung angespannt. Eine zweitägige Beratung der Joint Boundary Commission in Phnom Penh am vergangenen Sonnabend – das erste Treffen des Gremiums seit 13 Jahren – brachte zwar Beruhigung, aber kein Ergebnis. Hun Manet kündigte nun die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag an. Kambodscha hatte sich bereits zweimal erfolgreich um Resolutionen des IGH bemüht, bei denen es um den von beiden Seiten beanspruchten Preah-Vihear-Tempel im Grenzgebiet ging. 1962 wurden die Eigentumsrechte für den Tempel Kambodscha zugesprochen, 2013 die Zuständigkeit für das umliegende Land. Bangkok erkennt die Jurisdiktion des IGH jedoch nicht an und pocht auf nationale Souveränität.

Zerknirscht gab Paetongtarn am Donnerstag vor der Presse eine Entschuldigung ab, flankiert von hohen Vertretern der Armee. Nahezu gleichzeitig erklärte General Pana Klaewblaudtuk, Oberkommandierender des Militärs, dass ein neuerlicher Militärputsch nicht zu befürchten sei. Thailand hat über die letzten Jahrzehnte anderthalb Dutzend solche Machtübernahmen erlebt, zuletzt 2014 unter dem damaligen Armeechef Prayuth Chan-ocha. Politische Heimat der Exputschisten ist auch die Partei United Thai Nation, die noch keine finale Entscheidung zu ihrem Koalitionsverbleib gemacht hat, sondern weitere Gespräche führen will.

Bereits am Mittwoch verließ die konservative Bhumjaithai Party des bisherigen Vizepremiers und Innenministers Anutin Charnvirakul die Koalition. Damit ging der regierenden Pheu Thai Party (PTP) der mit 71 Sitzen wichtigste Koalitionspartner verloren. Das Regierungsbündnis schrumpfte so auf eine knappe Mehrheit von 261 zu 234 Sitzen in der Nationalversammlung. Die Demokraten (25 Sitze) hingegen haben sich am Donnerstag nach einer mehr als dreistündigen Beratung der Parteispitze für den Verbleib im Bündnis entschieden, auch die Chartthai Pattana (zehn Sitze) bleibt weiter bei der Stange.

Weiterhin steht aber das Szenario vorgezogener Neuwahlen im Raum – dann könnte die führende Oppositionspartei, die sozialliberale People’s Party, deren Vorgängerpartei Move Forward Party 2023 ohnehin der eigentliche Wahlsieger war, laut Umfragen weiter zulegen. Aber auch ein Austausch des Premiers, wie durch die PTP schon einmal erfolgt, käme in Betracht. Einen zulässigen Kandidaten (sie müssen bei der Wahl als solche deklariert werden) hätte die Partei noch übrig. Um Neuwahlen und damit eine Hängepartie zu vermeiden, forderte bereits ein Wirtschaftsverband dieses persönliche Opfer von Paetongtarn.

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