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Aus: Ausgabe vom 20.06.2025, Seite 6 / Ausland
Niederlande

Rechte spielen Grenzpolizei

Holland: Rassisten agieren weiter als Polizisten – Behörden reagieren lasch
Von Gerrit Hoekman
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Echte Grenzbeamte: Deutsche Polizisten in Erwartung der niederländischen Rassisten (Ter Apel, 8.6.2025)

Sie wollen der rechten Abschottungspolitik Vorschub leisten: Am Pfingstwochenende kontrollierte eine Gruppe »besorgter Bürger« an zwei Abenden an einem Grenzübergang im niederländischen Ter Apel eigenmächtig aus Deutschland einreisende Fahrzeuge, um Asylsuchende aufzuspüren. Am Sonnabend war die falsche Grenzpolizei erneut aktiv. Diesmal wenige Kilometer weiter nördlich an einem schmalen Wirtschaftsweg zwischen Sellingen und dem deutschen Dörpen im Emsland. Der in den Niederlanden wegen aufrührerischem Verhalten einschlägig bekannte Jan Huzen war wieder mittenmang.

»BOOS«, das investigative Onlineprogramm des niederländischen Senders BNNVARA, verschaffte sich am Montag Zugang zu einer niederländischen WhatsApp-Gruppe. Einige der fast 700 Personen, die dort angemeldet sind, waren laut »BOOS« an den Aktionen beteiligt. Das Ergebnis der Recherche: In der Chatgruppe sind rassistische Gedanken und unverhohlene Gewaltphantasien normal. »Sie phantasieren zum Beispiel davon, ›Schwarze zu Tode zu prügeln‹«, so BNNVARO. »Es werden auch Wunschträume über die Kolonialzeit geäußert, als Schwarze gezwungen wurden, Befehle zu befolgen. Außerdem werden die Teilnehmer aufgefordert, sich zu bewaffnen.«

Gründer der hasserfüllten Chatgruppe ist »BOOS« zufolge Jan Huzen, der anscheinend auch die ungesetzlichen Grenzkontrollen organisiert. »Er wurde bereits mehrfach verurteilt, hauptsächlich wegen Aufwiegelung über Facebook«, schrieb die Tageszeitung De Volkskrant am 12. Juni. Obwohl das Land nach Ansicht der rechten Hetzer von illegal einreisenden Asylsuchenden geradezu überrannt wird, waren die Aktionen an der deutsch-niederländischen Grenze erstaunlich erfolglos. »Leider haben wir keine Asylsuchenden gefunden. Auch keine dunklen Menschen oder ähnliches«, bedauerte Huzen vergangene Woche gegenüber der niederländischen Tageszeitung NRC.

Huzen betrachtet sich als Spaßguerillero. Die Aktionen an der Grenze seien »witzig« gemeint gewesen, sagte er gegenüber der Tageszeitung De Volkskrant. »Die Autofahrer dachten, es sei ›echt‹. Sie hielten an, noch bevor wir das Stoppschild zeigten«, freute er sich. Sogar ein deutsches Polizeiauto sei zunächst drauf reingefallen. »Was ich mache, kann man nur in den Niederlanden machen«, so Huzen. »Anderswo in Europa, in Polen oder Deutschland, wäre das nicht möglich. Dort lässt sich die Polizei nicht herumschubsen.«

Falls sie einen Asylsuchenden entdeckt hätten, wären sie ihm gefolgt, hätten das Nummernschild gefilmt und ihn verhört und dann alles auf Facebook veröffentlicht, sagte Huzen. In seiner Gefolgschaft kursiert nämlich das Narrativ, die Bundespolizei setze regelmäßig heimlich Asylsuchende im niederländischen Hinterland aus – sogar mittels Hubschraubern. Allein fehlen bislang die Beweise. »Wenn man das einfängt, hast du einen Aufstand am Hals, denke ich«, macht er beim NRC keinen Hehl aus seinen Absichten. Am vergangenen Sonnabend abend unternahm er in Sellingen den nächsten Versuch, die deutsche Polizei endlich dabei zu erwischen.

»Überstellungen in die Niederlande erfolgen stets in enger Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit den niederländischen Behörden. Das heißt, die Übergabe/Übernahme oder das Verbringen an die Grenze geschieht stets in Absprache mit den niederländischen Behörden«, antwortete die niedersächsische Bundespolizei am Montag schriftlich auf eine Anfrage der jW. »Einzelfallabhängig kann es dabei auch angezeigt sein, einer zu überstellenden Person die weitere Reise von einer geeigneten Örtlichkeit innerhalb der Niederlande aus zu ermöglichen.«

Laut Reuters ließ Bundesinnenminister Alexander Dobrindt vergangene Woche verlauten, dass er ein entschlossenes Vorgehen der Behörden im Nachbarland gegen ungesetzliche Aktionen an der Grenze erwarte. Bis jetzt reagiert die niederländische Polizei allerdings ziemlich lasch auf die rechten Wutbürger und die Regierung in Den Haag. Den Migrationsexperten Leo Lucassen von der Universität Leiden beunruhigten letzte Woche auf dem Karrierenetzwerk Linkedin außerdem »Journalisten, die sich nicht trauen oder nicht in der Lage sind, rechtsextreme Milizen zu erkennen und zu benennen.«

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