Zur Aufgabe zwingen
Von Jörg Kronauer
Einen Waffenstillstand zwischen Israel und Iran? Pah! Nein, das sei es nicht, was er erreichen wolle, äußerte US-Präsident Donald Trump verächtlich, als er vorzeitig den G7-Gipfel in Kananaskis verließ – um was genau zu tun? »Etwas viel Größeres«, prahlte er auf dem Weg zur Air Force One, und kurz darauf diktierte er mitreisenden Journalisten in die Tastatur: »ein wirkliches Ende« des Konflikts, etwas »Besseres als einen Waffenstillstand«, nämlich Irans »vollständige Aufgabe«. Wie diese erreicht werden, was sie genau sein sollte, womit man nun also zu rechnen habe, darüber schwieg er sich aus.
Trump erweckt den Eindruck, er habe es geschafft, das Heft des Handelns wieder in seine Hände zu bekommen. Unmittelbar nach Israels Angriff auf Iran am vergangenen Freitag war das zunächst nicht der Fall. In Sachen Iran seit langem als Hardliner, als erbitterter Gegner eines Atomdeals mit Teheran bekannt, hatte er im Frühjahr seinen Kurs um 180 Grad gedreht, hatte seinen Nationalen Sicherheitsberater Michael Walz und weitere Amtsträger gefeuert, die den Gewaltkurs gegen Iran fortsetzen wollten, und urplötzlich genau das Nuklearabkommen angestrebt, das er zuvor stets abgelehnt hatte. Warum? Nun, es eilt: Trump will in seinem Kampf gegen China keine Zeit mehr verlieren. Er militarisiert den Pazifik im Höchsttempo, rüstet die Philippinen drastisch auf, schickt Hunderte US-Soldaten nach Taiwan, und da wird wohl noch mehr kommen. Ein weiterer Krieg im Mittleren Osten würde dort schon wieder Kräfte binden, die beim Asien-Pazifik-Aufmarsch fehlten. Nicht mit Trump!
Der MAGA-Kriegsherr, der am Sonnabend bei einer Militärparade seine Truppen vorführte, hat deshalb nicht nur einen Nichtangriffspakt mit den Ansarollah im Jemen geschlossen, nicht nur das Islamistenregime in Syrien zum Partner erklärt, sondern auch den Ausgleich mit Iran gesucht. Er steckte noch mitten in Verhandlungen, als Israel angriff und damit den Deal, den Trump anstrebte, im Wortsinne zerschoss. Am Freitag morgen herrschte in Washington eisiges Schweigen, bis Trump seine neue Chance realisierte: Von Israel in die militärische Niederlage gebombt, würde Teheran jeden Nukleardeal annehmen müssen – und wenn nicht, dann könnten die USA sich der Bombenorgie anschließen und sie so sehr intensivieren, dass in Irans Trümmerwüsten auf Jahre hin Friedhofsruhe herrschte. Trump hielt sich zumindest bis zum gestrigen Dienstag beides offen: Er ließ Israel bomben, hielt aber die US-Streitkräfte aus den Angriffen heraus und beschränkte ihre Aktivitäten klar auf die Abwehr iranischer Raketen – aus US-Sicht das absolute Minimum.
Und nun? Es stimmt: Ein Waffenstillstand wäre aus Trumps Perspektive nicht genug, denn er brächte nur eine Fortdauer hochgradiger Spannungen und machte den USA nicht den Rücken für eine potentielle Eskalation in der Asien-Pazifik-Region frei. Es muss also »etwas viel Größeres« her. Das kann beides sein – Irans Unterwerfung oder Friedhofsruhe. Trump hat die Wahl.
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