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Aus: Ausgabe vom 23.05.2025, Seite 6 / Ausland
Rumänien

Simion will doch Annullierung

Rumänien: Wahlverlierer spricht nach Hinweisen von manipulierter Abstimmung
Von Fabio Nacci
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George Simion bei einem Wahlkampfauftritt (Bukarest, 8.5.2025)

Es ist schon die zweite Kehrtwende innerhalb von zwei Tagen: Am Dienstag kündigte der Chef der rechten Partei AUR, George Simion, an, Beschwerde beim Verfassungsgericht Rumäniens einzureichen. Laut offiziellem Wahergebnis unterlag der Präsidentschaftskandidat, der noch vor zwei Wochen rund 41 Prozent der Stimmen erreicht hatte, in der Stichwahl am Sonntag seinem EU-freundlichen Kontrahenten Nicușor Dan. Mit der Beschwerde will er die Annullierung der Wahl erreichen. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse – demzufolge hatte Dan rund 54 Prozent und Simion 46 Prozent erhalten – zweifelte er diese zuerst an, erkannte das Wahlergebnis dann aber kurzzeitig doch an.

In einer Videobotschaft auf Facebook sagte Simion nun, er verfüge über Beweise – ohne diese jedoch vorzulegen –, dass die Wahlen manipuliert worden seien. In einem Post auf X schrieb er: »Aus denselben Gründen, aus denen die Wahlen annulliert wurden: Ausländische Beeinflussung von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Diesmal durch Beweise belegt! Weder Frankreich noch Moldawien noch sonst jemand hat das Recht, sich in die Wahlen eines anderen Staates einzumischen.« Bereits vor den Wahlen hatte Simion Frankreich kritisiert, so warf er dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron »diktatorische Tendenzen« vor. Was die Beweise anbelangt, nahm er wahrscheinlich Bezug auf Aussagen von Pawel Durow.

Durow, Gründer und Eigentümer des Messengerdienstes Telegram, hatte noch am Tag der Stichwahl auf X geschrieben: »Diesen Frühling bat mich Nicolas Lerner, Chef des französischen Geheimdienstes, im Salon des Batailles des Hôtel de Crillon, konservative Stimmen in Rumänien vor den Wahlen zu sperren. Ich habe abgelehnt.« Nach einer Bestätigung des Treffens durch den Auslandsnachrichtendienst DGSE legte er nach: »Der französische Auslandsgeheimdienst hat zugegeben, dass er mich getroffen hat – angeblich, um gegen Terrorismus und Kinderpornographie vorzugehen. In Wirklichkeit wurde Kinderpornographie nie erwähnt. Sie wollten die IP-Adressen mutmaßlicher Terroristen in Frankreich, aber ihr eigentliches Ziel war immer Geopolitik: Rumänien, Moldawien, Ukraine.«

Durow hat ein angespanntes Verhältnis zur französischen Regierung. Im vergangenen August wurde er in Frankreich verhaftet. Nachdem er eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro hinterlegt hatte, kam er frei, steht seither aber unter Auflagen. Ihm werden »mutmaßliche Komplizenschaften« bei kriminellen Aktivitäten auf Telegram vorgeworfen, darunter Drogenhandel und die Verbreitung von Material mit sexualisierter Gewalt an Kindern – wegen unzureichender Moderationsregeln auf der Plattform. Außerdem wird ihm vorgeworfen, Nutzerdaten nicht an die Justiz weitergegeben zu haben – eine Praxis, deren Änderung er mittlerweile zugesagt hat.

Simions Strategie besteht darin, eine Parallele zwischen der Stichwahl am vergangene Sonntag und den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November zu ziehen. Diese waren annulliert worden, nachdem der rumänische Geheimdienst eine angebliche russische Einflussnahme zugunsten des NATO-kritischen Kandidaten Călin Georgescu aufgedeckt hatte. Georgescu hatte überraschend in der ersten Runde die meisten Stimmen auf sich vereinen können. Das unabhängige rumänische Journalistenkollektiv Snoop deckte jedoch später auf, dass die angebliche russische Finanzierung von Wahlkampagnen in Wirklichkeit von einer Marketingfirma stammte, die mit der Nationalliberalen Partei des damaligen Präsidenten Klaus Johannis verbunden war. Georgescu ist ein politischer Verbündeter Simions, beide gehörten zeitweise derselben Partei an, der rechten AUR.

Simion schien sich schon Anfang der Woche wenig Hoffnung auf eine Annullierung der Präsidentschaftswahlen zu machen. Er rief die Rumänen dazu auf, ihrerseits separate Beschwerden beim Verfassungsgericht einzureichen, und kündigte an, sein Team werde dafür Vorlagen bereitstellen. Schon am Donnerstag die Bestätigung: Das Verfassungsgericht wies die Forderung nach Annullierung zurück. Das Gericht teilte mit, es habe den Antrag »einstimmig zurückgewiesen«, da es ihn für »unbegründet« halte.

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