Griff in Gottes Haufen
Von Ken Merten
Sie tun schließlich nur, wie sie heißen: Behemoth sind im Festivalsommer omnipräsent. Als Headliner lehren sie das Fürchten, und zwar ausnahmslos. Die Polen spielen denen übel vor, die von »Ruppigem« reden und Metallica meinen. Der Black-Metal-Blase, Corpsepaint den Gesichtskreis markierend, ist das 1991 als Baphomet gegründete Projekt längst geplatzt und in den Mainstream geflossen.
Was nicht einfach falsch ist: Lang her ist die Debüt-EP »And the Forests Dream Eternally« (Entropy Productions, 1994). Aber schon die war nicht pures Vantablack, wie durch den Black-’n’-Roll-Coversong von Bathorys »Pure Evil and Hate« zu hören war. Zwar blieben Behemoth stets bei einer Kleiderordnung für den extravaganteren und emsig Körperpflege betreibenden Teil der Black-Metal-Szene, aber nach und nach wurde der Ton floridianischer: Irgendwo zwischen Black und Death konnten sich viele auf Behemoth einigen, ob nun Ledermantel oder Jeanskutte.
Die nächste Stufe zündete nicht, brachte aber prominente Plätze in der Running Order: Festival-Metal, der aus allen möglichen Subgenres rekrutiert, was größer sein möchte als die Szene, der sie einst entsprangen. Behemoth wurden zur Peinlichkeit, weil sie dorthin gingen, wo die Allgemeinheit jene Langhaarigen mit Kellerbräune verspottet, statt deren Expertentum und Trueness zu loben. Wahrscheinlich haben Behemoth so viele in die Fehdehandschuhe der Reinheitslehre getrieben wie keine andere Metalband.
Entsprechend liegt es nahe, Behemoths 13. Album als Bekenntnis zu deuten: »The Shit ov God« fordert mit acht Liedern in meist moderatem Tempo dazu auf, die gotteslästerlichen Kehrreime ehrenlos mitzugrölen. »We are the shit of god«, heißt es im Title Track des Rechtschreibschwäche vor sich hertragenden Langspielers. Behemoths satanistische Binsenweisheiten und Klippschulparolen haben nordische Neuheidinnen und Neopaganisten – denen der Teufelskult als Antikirche eh zu stark am Christlichen orientiert ist – wohl längst davon überzeugt, dass die Scheiße Gottes ein Quartett aus Gdańsk ist. Man muss aber nicht Kapellen anstecken oder mit Odin schmusen wollen, um solchen Abzählmumpitz zu verschmähen: »I for ingrate / E like eradicate / S for the scorn / U for useless / S for the shame / J for joyless / H to humiliate / S for thy son unloved.« Sänger »Nergal« kürzt (um nicht nur zu schimpfen: voluminös und fegefeurig) in »Lvciferaeon« die solipsistische Beweisführung um die Beweise: »If I am god / Everyone is / If I am not / None exist.« Wenn es keinen Klamauk gäbe, Behemoth hätten ihn mit »The Shit ov God« erfunden.
Behemoth: »The Shit ov God« (Nuclear Blast Records)
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