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Aus: Ausgabe vom 20.05.2025, Seite 4 / Inland
Goldenes politisches Handwerk

Kauf von Einfluss »allgegenwärtig«

Ganz normale Lobbyarbeit: Neue Details zur sogenannten Aserbaidschan-Affäre
Von Fabian Linder
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Eduard Lintner bei einem Gerichtstermin (München, 16.1.2025)

In der sogenannten Aserbaidschan-Affäre, in der sich mehrere ehemalige Unionspolitiker vor Gericht verantworten müssen, kommen neue Details ans Licht. Am Montag führte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner (CSU) aus Unterfranken vor dem Oberlandesgericht München ein zuvor getätigtes Geständnis im Sinne der Anklage näher aus. Zuvor hatte Lintner gegenüber dpa darauf verwiesen, dass er seine Aussage nicht wie das Gericht als Geständnis der Bestechung verstanden wissen möchte. Die Vorgänge hätten sich lediglich so wie in der Anklageschrift zugetragen, aber aus seiner Sicht sei das keine Bestechung.

Bei dem Termin am Montag räumte Lintner nun ein, aserbaidschanische Geldzahlungen an eine CDU-Abgeordnete weitergeleitet zu haben. Dies sei aus seiner Sicht normaler Lobbyismus gewesen, welcher »bis heute praktisch allgegenwärtig« sei. Laut der Anklage soll sich Aserbaidschan jahrelang mit finanziellen »Zuwendungen« darum bemüht haben, Entscheidungen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats im Sinne Bakus zu beeinflussen. Neben Lintner ebenfalls wegen Bestechung angeklagt ist der ehemalige CDU-Parlamentarier Alex Fischer aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land.

Der altgediente Ex-MdB Lintner, der über drei Jahrzehnte für seine Partei im Bundestag sowie in der Versammlung des Europarats saß, soll über zwei ausländische Briefkastenfirmen bis 2016 Gelder in Millionenhöhe erhalten haben und diese Gelder zum Teil an andere Abgeordnete weitergegeben haben – als Gegenleistung für Abstimmungen im Sinne Aserbaidschans. Fischer, der von 2010 bis 2018 EVP-Fraktionschef in der Versammlung des Europarats tätig war, soll dort gegen Bestechungsgelder entsprechend »positive« Reden gehalten haben und, so der Vorwurf weiter, vertrauliche Dokumente weitergeleitet haben. Die beiden früheren Abgeordneten hatten die Vorwürfe immer wieder bestritten und als haltlos bezeichnet.

Mit Lintners Aussage, dass die Zahlungen über seine Firmen liefen, kommt nun zumindest teilweise Licht ins Dunkel. Allerdings will er sich an Details entsprechender Absprachen nicht mehr erinnern können. Man sei dem Wunsch Aserbaidschans nachgekommen, die Zahlungen über seine Firmen abzuwickeln. Er habe, führt Lintner zu seiner Verteidigung an, die Zahlungen steuerlich korrekt angegeben. Gleichwohl sei er davon ausgegangen, dass dies auch die CDU-Abgeordnete gemacht habe und die Zahlungen wie vorgeschrieben dem Bundestag melde. Dieser Sicht der Dinge widersprach der Vorsitzenden Richter jedoch: Zu keinem Zeitpunkt sei angegeben worden, dass Geld aus Aserbaidschan geflossen sei.

In der Aserbaidschan-Affäre stehen seit Anfang 2025 zwei weitere Personen wegen Beihilfe zur Bestechung von Mandatsträgern und Steuerhinterziehung vor Gericht. Die ebenfalls beschuldigte CDU-Politikerin Karin Strenz, gegen die zwischenzeitlich ermittelt wurde, starb 2021 auf einem Flug von Kuba nach Deutschland. Die Ermittlungen hatten sich über mehrere Jahre gezogen und machten eine Vielzahl internationaler Rechtshilfeersuchen erforderlich – wegen des »konspirativen Vorgehens der Angeschuldigten«, wie es von der Generalstaatsanwaltschaft heißt. Mit Bekanntwerden der Bestechungsoffensive Bakus rückten auch in anderen EU-Mitgliedstaaten Abgeordnete in den Fokus von Bestechungsermittlungen.

Während das Verfahren gegen Fischer aus gesundheitlichen Gründen zwischenzeitlich vom Hauptverfahren abgetrennt wurde, geht der Prozess gegen Lintner dem Ende entgegen. Bis Juli ist mit einem Urteil zu rechnen.

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