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Aus: Ausgabe vom 14.05.2025, Seite 6 / Ausland
Balkan

Albanien wählt Kontinuität

Ministerpräsident Edi Rama vor vierter Amtszeit. Unterlegene Konservative werfen Sozialdemokraten Stimmenkauf vor
Von Slavko Stilinović
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Kann sich über die absolute Mehrheit freuen: Wahlsieger Rama am Freitag in Tirana

Das Wahlbündnis »Allianz für ein großes Albanien« (ASHM) hat es trotz des Zusammenschlusses 24 rechter Parteien nicht geschafft, die Sozialdemokraten in dem Balkanland aus dem Amt zu befördern. Die »Sozialistische Partei« (PS) von Ministerpräsident Edi Rama konnte bei der Parlamentswahl am Sonntag sogar noch zulegen und errang mit 52,08 Prozent die absolute Mehrheit in der Volksvertretung mit insgesamt 140 Abgeordneten. Dies teilte die Wahlbehörde in Tirana am Dienstag nach Auszählung der Stimmzettel in 95 Prozent der Wahlurnen mit. Die ASHM kam im Verbund mit der »Demokratischen Partei« (PD) lediglich auf 34,47 Prozent. Die linke »Bewegung Gemeinsam« (LB) schnitt am schlechtesten ab und kommt mit knapp über 1,3 Prozent der Stimmen auf einen Sitz im Parlament.

Die Wahlbeteiligung lag mit knapp über 41 Prozent niedriger als bei den Wahlen 2021 und nimmt seit ihrem Höchststand 2013 (53 Prozent) kontinuierlich ab. Damals gewannen Rama und seine PS zum ersten Mal. 2017 sank zwar die Wahlbeteiligung, die PS verbesserte ihr Ergebnis jedoch auf mehr als 48 Prozent. Rama ist auch der einzige albanische Premier in der Geschichte, der drei Amtszeiten in Folge ableisten konnte. Seine Partei hat seit 2013 alle sechs Wahlen für sich entschieden – drei Parlaments- und drei Kommunalwahlen.

Während seiner zehnjährigen Amtszeit erlebte Albanien wirtschaftliches Wachstum und eine weitere politische Annäherung an die Europäische Union, jedoch auch einen Rückschritt in der demokratischen Entwicklung; verschiedene Kritiker beschreiben seine Regierungsführung als autokratisch und werfen ihm Demokratieabbau vor. In internationalen Medien wurde er zuletzt in Verbindung mit seiner Idee thematisiert, einen islamischen Mikrostaat nach Vorbild des Vatikans zu gründen. Demnach würde der zukünftige Staat ausschließlich Bektaschi-Geistlichen und Regierungsbeamten die Staatsbürgerschaft gewähren. Der islamisch-alawitische Derwischorden spielt vor allem in Albanien eine bedeutende Rolle, wo sich heute das weltweite Zentrum befindet. Die Gemeinschaft ist bekannt für ihre Toleranz, ihren liberalen Umgang mit religiösen Vorschriften und der Betonung innerer Spiritualität über äußere Rituale. Besondere Bedeutung kommt diesem Vorschlag zu, da Rama selbst Katholik ist.

Am Wahltag warf die PD den regierenden Sozialdemokraten vor, Stimmenkauf in einem Büro in Tirana betrieben zu haben. Dort sollen PS-Aktivisten Wähler unter Druck gesetzt und Vorteile im Austausch für politische Unterstützung angeboten haben. Die Szene wurde live im Fernsehen übertragen. PD-Vertreter Belind Këlliçi forderte ein sofortiges Eingreifen der Polizei, die jedoch erst zwei Stunden später eintraf. Zu diesem Zeitpunkt waren mehrere Beteiligte, darunter der PS-Abgeordnete Erion Braçe, bereits geflüchtet. Braçe wurde auch beschuldigt, während der Liveübertragung eine Journalistin angegriffen zu haben. Bei einer Durchsuchung wurden laut Polizei keine illegalen Materialien gefunden, jedoch wurden alle Anwesenden zur Vernehmung gebracht. Die Antikorruptionsbehörde SPAK leitete Ermittlungen ein.

In Lezhë kam es zu einem weiteren Zwischenfall, bei dem sich Anhänger von PD und PS gegenseitig Stimmenkauf vorwarfen. Der Bürgermeister von Lezhë, Pjerin Ndreu, wies die Vorwürfe zurück und warf der PD Provokation vor. Es kam zu Straßensperren und einem nächtlichen Streit, in den auch der Vizebürgermeister von Lezhë, Fatjon Zefi, involviert war. Mehrere Personen wurden festgenommen. Auch gegen die Sozialdemokratische Partei (PSD) wurden in der nordalbanischen Stadt Koplik Stimmenkaufvorwürfe erhoben. Beim örtlichen PSD-Chef Ardian Hysa und einem mutmaßlichen Vermittler, Florenc Kalaj, seien laut Polizei Messenger-Nachrichten gefunden worden, die auf finanzielle Anreize für Wähler hindeuteten.

Ein Politikwechsel ist von Premierminister Edi Rama angesichts des Wahlerfolgs nicht zu erwarten, da er mit seinem westlich-orientierten und wirtschaftlich erfolgreichen Kurs nun zum vierten Mal zum Premierminister gewählt wurde, aller Kritik über Autoritarismus zum Trotz.

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