»Kritiker irritiert unsere antifaschistische Haltung«
Interview: Roland Zschächner
Anfang Mai wurde bekannt, dass der kroatische Staat die Mittel für Novosti, die Wochenzeitung der serbischen Minderheit, um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr kürzt. Was sind die offiziellen Gründe dafür?
Die Kürzungen hat der Rat für nationale Minderheiten, kurz RNM, beschlossen. Dieser ist leider nicht verpflichtet, seine Entscheidung näher zu erläutern. Novosti ist das einzige Minderheitenmedium, das von diesem Rat finanziert wird, und das einzige, dessen Finanzierung gekürzt wurde, wie der RNM-Präsident Tibor Varga gegenüber Journalisten erklärte. Varga betonte mehrfach, dass man »kulturelle Autonomie« und nicht »politische Inhalte« finanziere. Abgesehen davon, dass dies nicht der Wahrheit entspricht – es werden Informationssendungen nationaler Minderheiten finanziert –, deckt sich dieses Argument mit der langjährigen Forderung der extremen Rechten, die Finanzierung von Novosti einzustellen, da wir über Politik statt über sogenannte Minderheitenthemen berichten.
Welche politischen Kräfte stehen hinter der Entscheidung?
Ohne die Zustimmung der Regierungskoalition, die aus der konservativen »Kroatischen Demokratischen Union«, HDZ, und der rechtsextremen »Heimatbewegung« besteht, hätte diese Entscheidung nicht getroffen werden können. Die »Heimatbewegung« feierte die Entscheidung des RNM auf Facebook mit den Worten: »Was wir versprechen, halten wir – Kürzung der Finanzierung für die Wochenzeitung Novosti!« Einer ihrer Abgeordneten gab offen zu, dass seine Partei die Finanzierung unserer Wochenzeitung mit Hilfe der HDZ um ein Drittel gekürzt hat. Angesichts der Tatsache, dass die RNM-Mitglieder sowohl materiell als auch strafrechtlich haftbar gemacht werden können und bei Finanzentscheidungen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten müssen, deutete die Aussage im Grunde an, dass politischer Einfluss ausgeübt und das Gesetz gebrochen wurde.
Welche Bedeutung hat Novosti für die kroatische Medienlandschaft?
Sie ist eine der drei ältesten politischen Wochenzeitungen Kroatiens und erscheint seit 25 Jahren ununterbrochen. Mittlerweile gibt es viele, die sich dafür aussprechen, dass Novosti und die serbische Minderheit in eine Art Ghetto gedrängt werden sollen. Nicht alle Journalisten bei uns sind serbischer Herkunft. Das ärgert die Kritiker besonders: die Brüderlichkeit serbischer und kroatischer Journalisten. Außerdem irritiert sie auch unsere uneingeschränkte antifaschistische Haltung und die Tatsache, dass wir über alles schreiben, was unserer Meinung nach geschrieben werden sollte. Hinzu kommt, dass die »Heimatbewegung« einen besonderen Grund für die Schließung von Novosti hat: Wir enthüllen immer wieder die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder mit ausländischen Parteien, die Anspruch auf kroatisches Territorium erheben, aber auch mit ultrakonservativen Gruppen.
Wie hat die serbische Minderheit auf die Kürzungen reagiert?
Wir werden alle rechtlichen Schutzmöglichkeiten nutzen, die uns zur Verfügung stehen. Unser Herausgeber, der Serbische Nationalrat, weiß, dass fast alle seiner Aktivitäten der extremen Rechten ein Dorn im Auge sind: neben Novosti auch die Nutzung des kyrillischen Alphabets oder die Eröffnung von Kulturzentren sowie Bildungsangebote für Angehörige der serbischen Minderheit.
Welche Auswirkungen könnten die Kürzungen auf die Pressefreiheit und die Rechte von Minderheiten in Kroatien haben?
Da die Mittel nur für ein einziges Minderheitenmedium gekürzt wurden – und zwar eine Minderheit, die häufig Ziel der extremen Rechten ist – empfinden wir die Entscheidung des RNM als diskriminierend. Außerdem sehen wir darin einen Angriff auf den Meinungspluralismus und die Medienfreiheit. Die »Heimatbewegung« möchte die Medienlandschaft in Kroatien nach dem Modell des ungarischen Premierministers Viktor Orbán umbauen. Die RNM-Entscheidung ist ein negativer Präzedenzfall. Jene Institution sollte ursprünglich den Schutz und die Förderung von Minderheitenrechten gewährleisten. Diese Rechte sind in einem Verfassungsgesetz geregelt. Es legt eindeutig fest, dass Mitglieder nationaler Minderheiten das Recht auf eigene Medien haben.
Andrea Radak ist Chefredakteurin von Novosti, der Wochenzeitung der serbischen Minderheit in Kroatien
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