Nationalisten siegen in Nordmazedonien
Von Valter MandicDie Opposition hat gewonnen. Die nationalistische Partei VMRO-DPMNE konnte in Nordmazedonien einen überwältigenden Wahlsieg erringen. Zum einen gewann ihre Kandidatin Gordana Siljanovska-Davkova die Präsidentschaftswahl mit fast 70 Prozent gegen den ehemaligen sozialdemokratischen Amtsinhaber Stevo Pendarovski, zum anderen erreichte die VMRO-DPMNE 43 Prozent im Parlament und kann damit eine neue Regierung bilden. Für die sozialdemokratische SDSM ist es eine historische Niederlage. Selbst im Parlament konnte sie nur 15 Prozent erreichen. Die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen lag bei 46 Prozent, für das Parlament bei 53.
Als »Königsmacher« zählt immer eine albanische Partei, da die Albaner im Land die zweitgrößte Volksgruppe ausmachen. Dieses Jahr waren zwei albanische Parteien vertreten, einmal die BDI und die VREDI, welche jeweils 13,8 und zehn Prozent der Stimmen für sich beanspruchten. Die BDI regierte in der letzten Regierung mit der SDSM und es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie in die neue Regierung eintreten wird. Statt dessen zählt die neue VREDI Partei als potentielle Regierungspartnerin.
Arben Taravari, der Vorsitzende der Partei, gab als Voraussetzung zur Koalition bekannt, die Verfassung zugunsten der bulgarischen Minderheit ändern zu wollen. Die Verfassungsänderung könnte das letzte Hindernis für Nordmazedonien sein, um der EU beitreten zu dürfen – dafür wird aber eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigt. Dies könnte eventuell eine Hürde zur Koalition darstellen, da der Wille zur Verfassungsänderung als Nachgeben gegenüber dem Nachbarn Bulgarien gilt. Bulgarische Nationalisten erkennen Mazedonier nicht als eigene Nation an, deren Sprache sei nur ein Dialekt des Bulgarischen. Bereits die Namensänderung des Landes 2018 in Nordmazedonien, welche zugunsten des südlichen Nachbarn Griechenlands beschlossen wurde, wird bis heute als Schwäche angesehen und ist mitunter ein Grund, warum die VMRO-DPMNE nun so viele Stimmen erhielt. Dementsprechend ist die Zustimmung gegenüber der EU unter Mazedoniern mit 40 Prozent deutlich schlechter als unter Albanern im Land mit 60 Prozent.
Weitere Gründe für die enorme Niederlage der SDSM könnten die vielen Korruptionsskandale sein. Letztes Jahr stellte sich heraus, dass Krebsmedikamente auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft und Patienten statt dessen Vitamin C oder andere falsche Behandlungsweisen verschrieben wurden. Der Skandal löste landesweite Massenproteste aus und es wurde schnell klar, dass ranghohe Personen mit Kontakten zu regierenden Kreisen hierfür verantwortlich gewesen sein mussten. Mittlerweile wurden drei Ärzte und zwei ehemalige Direktoren eines Krankenhauses verhaftet. Hinzu kommt, dass Anfang des Jahres organisierte Drogenhändler festgenommen wurden, welchen mehrere Morde im Land zur Last gelegt werden. Auch hier gehen viele davon aus, dass hohe Kreise in der Regierung davon Bescheid wussten.
Gegen die Korruption ging die SDSM ebenfalls nicht vor, statt dessen schwächte sie sogar Gesetze ab, mit Hilfe derer Politiker für Amtsmissbrauch hätten belangt werden können. Die Gesetze waren noch aus dem alten Jugoslawien und konnten amtierende Politiker bis zu zehn Jahre ins Gefängnis bringen – mittlerweile sind es nur noch drei. Die VMRO-DPMNE behauptete, die SDSM hätte dies nur getan, um sich im Fall einer zukünftigen VMRO-Regierung selbst zu schützen. Gleichzeitig aber stimmte die VMRO-DPMNE selbst für diese Änderung – wohl auch, weil sie in der Vergangenheit für mindestens genauso viele Skandale bekannt war. Immerhin ist der ehemalige Premierminister der VMRO Nikola Gruevski heute in Ungarn, um nicht wegen Amtsmissbrauch und Massenüberwachung für mehrere Jahre ins Gefängnis zu gehen.
In der Vergangenheit trat die VMRO-DPMNE als eine Partei auf, die es nicht eilig hatte, das Land in die EU zu führen, dies aber häufig versprach. Man würde den Beitritt befürworten, die Bedingungen seien jedoch zu erniedrigend. Wichtige Projekte, die nun im Fokus stehen, sind eine geplante Pipeline mit Griechenland, Justizreformen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten im Land.
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