Weltnaturerbe Wattenmeer
Von Burkhard Ilschner
Fakt ist: »Kabeltrassen gefährden das Weltnaturerbe Wattenmeer.« Neun Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen haben sich mit einem gemeinsamen Appell an die an diesem Dienstag in Berlin beginnende Nationale Meereskonferenz gewandt. Zwar sei Offshore-Windenergie ein »wichtiger Beitrag zur Energiewende«, aber mit den aktuell festgelegten Ausbauzielen »nicht naturverträglich umsetzbar«.
Einerseits ist die Erklärung nachvollziehbar, denn das Bepflastern der Nordsee mit gigantischen Rotorenfeldern sowie die folgenreichen Anstrengungen, den auf See produzierten Strom weit ins Binnenland zu transportieren, sind bekanntlich nicht unumstritten. Umweltverbände wie Nabu, BUND und WWF kritisieren nun gemeinsam mit regionalen Akteuren wie etwa dem Mellumrat (Varel-Dangast) oder Initiativen aus Cuxhaven und Emden, der Ausbau der Offshore-Kapazitäten erfolge »derzeit ohne Prüfung naturverträglicher Alternativen und teilweise ohne Raumordnungsverfahren«. Damit drohten massive Eingriffe in ein Gebiet, das nach nationalen und internationalen Verträgen unter vielfältigem Schutz stehe.
Andererseits ist der Aufruf insofern bemerkenswert, als er sich an einen Kongress richtet, an dem mehrere der unterzeichnenden Verbände aktiv beteiligt (und weitere mutmaßlich teilnehmend) sind: Die Nationale Meereskonferenz des Bundesumweltministeriums soll Politik und Parteien, Behörden und Forschung, Lobbyisten und Zivilgesellschaft zusammenbringen, um unter dem Motto »Lebendige Meere« zwei Tage lang über Meeresschutz und »naturverträgliche blaue Wirtschaft«, Klimaschutz, Schutzgebiete und »saubere Meere« zu diskutieren.
»Intakte Meere«, hieß es im November 2021 im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, »sind maßgeblich für Klimaschutz und Biodiversität«. Angekündigt wurden daher »eine Meeresoffensive zum Schutz der Meeresnatur, eine kohärente und verbindliche Meeresstrategie, eine Meereskoordination unter Leitung eines Meeresbeauftragten und eine Nationale Meereskonferenz«. Nun, die Ampelkoalition ist bekanntlich Geschichte. Einen Koordinator hatte man 2022 mit Sebastian Unger immerhin etabliert, nur könnte sein Auftritt auf dem Kongress sein letzter von Amts wegen sein. Über »Meeresoffensive« und »Meeresstrategie« ist zwar debattiert worden, und es hat bis Sommer 2024 auch Workshops gegeben – aber aus der damaligen Planung, Anfang dieses Jahres das Kabinett darüber entscheiden zu lassen und diese Ergebnisse vorzustellen, ist dann wohl wegen des Ampel-Aus nichts geworden. Vergeblich sucht man im Programmflyer nach Beschlussvorlagen, den Meeresumweltschutz zu fördern.
Es bleibt unklar, warum dieser Kongress überhaupt stattfindet. Sicher lässt das breite Spektrum fachlich kompetenter und engagierter Teilnehmender aufschlussreiche Referate und Debatten erwarten. Aber angesichts des geplanten Regierungswechsels wird nichts davon verbindlich sein können. Insofern dürfte der eingangs erwähnte Appell der neun Verbände verpuffen.
Es gibt seit einem Vierteljahrhundert das Instrument der »Nationalen Maritimen Konferenz« (NMK) des jeweiligen Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), traditionell eher auf Nutzung maritimer Ressourcen als auf Meeresschutz fokussiert. Vielleicht war ja 2021 die heutige »Meereskonferenz« als Gegenpol gedacht – die 14. NMK hätte eigentlich kommende Woche in Emden stattfinden sollen. Aber die ist Ende 2024 vom BMWK nach Scheitern der Ampel auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
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