50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe
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Naturfeinde

Von Helmut Höge
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Im Landkreis Göttingen sind erneut mehrere Bäume Ziel einer Giftattacke geworden. Nachdem es zuletzt in Gleichen und Rosdorf zu derartigen Anschlägen gekommen war, hat es jetzt drei Erlen in Geismar erwischt. Wieder bohrten Unbekannte die Stämme an und injizierten eine Substanz, an der die Bäume zugrunde gingen.

In Bad Salzungen versuchte jemand, zwei stattliche Bäume, eine Linde und eine alte Eiche, zum Absterben zu bringen, indem er oder sie Bohrlöcher im unteren Teil der Stämme anbrachte und Benzin hineingoss.

Nach der illegalen Fällung von einigen Bäumen in München beschädigten bislang Unbekannte weitere Bäume. Diese wurden jedoch nicht gefällt, sondern die Rinde durchschnitten, so dass die Versorgung der Bäume nicht mehr gewährleistet war. Die Baumstämme hatten einen Umfang von gut einem Meter.

In Treptow-Köpenick wurden im Grünzug zwischen Ottomar-Geschke-Straße und Spindlersfelder Straße sechs Bäume durch bisher unbekannte Täter mit der Axt gefällt.

Im Berliner Theodor-Wolff-Park stieß der Technischer Leiter des dortigen Grünflächenamtes auf einen Baum, dessen Stamm von Unbekannten wahrscheinlich mit einer Axt oder einer Machete auf das übelste traktiert wurde. »Hier sind durchgeknallte Zeitbomben unterwegs«, meinte er.

In Lübben töteten Unbekannte kürzlich fünf 50 Jahre alte Linden mit Gift am Wurzelansatz, der Schaden beträgt rund 25.000 Euro. Lindenbäume werden immer wieder, besonders an Parkplätzen, getötet, weil die Ausscheidungen ihrer Blattläuse die parkenden Autos verkleben. Eine Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde sagte am 2. August dem Berliner Tagesspiegel, die Aggressivität der Zeitgenossen erschrecke sie. »Die Skrupellosigkeit vieler Bürger habe im gleichen Maße zugenommen wie das Unrechtsbewusstsein abgenommen habe. Manchmal würden Bäume nur gefällt, um freie Sicht auf einen See zu haben. Weil sie z. B. die Wohnung verschatten, die schöne Aussicht versperren, die Einfahrt verkleinern, zu viel Laub abwerfen, weil sie den Wirkungsgrad von Solaranlagen auf den Dächern durch ihren Schattenwurf verringern. Oder auch nur, weil von ihnen einmal im Jahr eine klebrige Flüssigkeit tropft.«

Ich vermute, das richtet sich gegen die Umweltpolitik der Grünen. Man kann Baerbock und Habeck nicht so leicht umbringen, Bäume aber schon. Oder Wölfe vorsätzlich töten oder Wildvögel. Die Schaumburger Zeitung meldete am 6. Juni 2019: »Brütendes Rotmilan-Weibchen in Deckbergen wurde vergiftet«. Der Naturschutzbund (Nabu) erstattete Anzeige gegen den Betreiber und den Flächenverpächter einer Windenergieanlage im nordhessischen Waldeck-Frankenberg: »Sie hatten die Ansiedlung eines Rotmilan-Brutpaars in der Nähe ihrer Windenergieanlagen durch massive Störung zu verhindern versucht.«

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  • Leserbrief von Georg F. aus Heidelberg (20. September 2023 um 12:36 Uhr)
    Guter Artikel, danke! In Schweden gibt es Lena Andersson, die wie Sloterdijk Steuern für Diebstahl hält, (Zizek stimmte gleich zu: 81 Punkte). Andersson verhöhnte auch gern »tree hugger«. Täuschen wir uns nicht. Leute, die jetzt Bäume töten, halten Grüne für Linksradikale. FAZ oder Bils sahen das lange auch so. Dämmerungs-Aktivisten, die oft AfD wählen, verdrehten das leider nicht allein. Die seit 10 Jahren anfangen, durchzudrehen, sind oft nicht arm. Eher panisch unglücklich. Auf ihren drei bis acht Flügen weltweit sitzen sie neben Grünen und merkens nicht. Niemand erzählte ihnen, dass sie fünf bis acht Prozent aller Menschen sind. Die Reicheren! Grüne unterstützen dieses kapitalistische Leben wie FDP oder AfD. Aber »man nimmt uns alles weg« wimmern viele. Einzelne dieser Art gabs immer. (Tipp: Zementgarten, Ian McEwan?). Die Angst aber war in weniger ungleichen Gesellschaften kleiner? Angst macht wirr. Viele im Vergleich zu Jahrtausenden reiche Menschen sind nun panisch. Etwas zu lang zu übersehen ist Schwäche. Mir sagten kommunistische Berlinerinnen noch vor vier Jahren, all sowas käme »in Berlin nicht vor«. Nur in München. Ei, ei … Jetzt ists a bisserl spät. Ohne Linke, das kapieren FDP, CDU, SPD, Grüne und viele Linke nicht, zerfallen Gesellschaften. Leider sind angstaggressive Leute, hört in Cafés zu, politisch auf eine Art ungebildet, dass es der berühmten Sau graust. Also werden heutige Grüne zu »linken Öko-Calvinisten«. Auch in Literatur und Philosophie reden viele noch immer vom »Verzicht«, den Baumspritzer so fürchten; erstere lassen nur edlere Worte klingen. Wie im Artikel gesagt: da die Grünen nicht in der Nähe sind, spritzen wir Bäume tot. Weniger »Mutige« rammen mit dem E-Bike, weil sie zuerst an der nächsten roten Ampel stehen wollen, oder hupen 72mal am Tag. Hemmungen fallen weg, zur Freude der AfD; auch Kardiologinnen dürften reicher werden. Jetzt ist es leider spät. Mehr Bloch, weniger Nietzsche/Foucault wäre seit Jahrzehnten wohl besser gewesen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christa K. (18. September 2023 um 21:40 Uhr)
    Diese Schilderung zeigt eindringlich, dass viele Menschen ein Aggressionspotenzial – hervorgerufen durch soziale Missstände und enormen persönlichen Frust, der in Zeiten wie diesen, für mich schon verständlich ist – geradezu ausleben müssen, doch das »Wie« ist für mich geradezu unfassbar. Denn diese Aktionen scheinen mir nicht aus spontanem Antrieb, sondern mit Vorbereitungsphase durchgeführt worden zu sein – mit dem »üblichen« psychologischen Hintergrund, der »Schwächere« kann sich nicht wehren … wie entsetzlich krank ist unsere kapitalistische Gesellschaft …

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