Krieg in der Kirche
Von Kristian Stemmler
Lang ist es her, dass Evangelische Kirchentage eine Art Forum der Friedensbewegung waren. Spätestens seit der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) auf dem Kirchentag 1999 in Stuttgart Propaganda zum Kosovo-Krieg verbreiten durfte, war es damit vorbei. Beim Kirchentag in Nürnberg im Juni 2023, dem ersten nach Beginn des Ukraine-Kriegs, saß mit Carsten Breuer erstmals ein Generalinspekteur der Bundeswehr auf einem Podium, warb unverhohlen für Waffenlieferungen an die Ukraine. Es war also keine Überraschung, dass auf dem 39. Evangelischen Kirchentag in Hannover, der am Sonntag mit einem Open-air-Gottesdienst zu Ende ging, von Protest gegen die Aufrüstung und Militarisierung des Landes keine Rede war.
Symptomatisch war die Besetzung des Hauptpodiums zum Thema Frieden mit dem vollmundigen Titel »Deutsche Zerrissenheit«. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter und Militärhistoriker Sönke Neitzel – zwei ausgewiesene Kriegstreiber – diskutierten auf dem Podium. Kiesewetter nutzte die Bühne erwartungsgemäß. Die BRD habe einen »Riesenfehler« gemacht, als sie 2023 auf die Lieferung der »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine verzichtet habe, erklärte er laut Tagesspiegel. Es gehe nicht an, »dass die Ukraine uns Zeit gewinnt und für unsere Bequemlichkeit verblutet«.
Auch Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Die Linke) und der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck, die das Podium komplettierten, plädierten für Waffenlieferungen an die Ukraine. Im Unterschied zu Kiesewetter und Neitzel gaben sie vor, dies nur mit moralischen Skrupeln zu vertreten. »Persönlich würde ich mir wünschen, aus Deutschland würden keine Waffen geliefert«, behauptete Ramelow, fügte mit Blick auf die Ukraine aber hinzu, ein Staat müsse »sich verteidigen können«. Overbeck mahnte, der Waffeneinsatz dürfe nur als Ultima Ratio verstanden werden.
Wie schon vor zwei Jahren in Nürnberg war auch in Hannover pazifistischer Protest nur außerhalb des Kirchentags möglich, bei einer von 25 Organisationen und Gruppen organisierten Friedenssynode unter der Schirmherrschaft der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann. Die Synode verabschiedete einen »Friedensruf«, in dem es heißt: »Es wird gesagt, wir müssten kriegstüchtig werden und Frieden durch Aufrüstung sichern. Wir aber wollen friedensfähig werden.« Dieser »Friedensruf« solle als Impuls in die Gemeinden gehen, »damit nicht mehr geschwiegen wird in unserer Kirche«, sagte Käßmann laut dpa.
Gratismut bewies der Kirchentag bei Themen, die im »rot-grünen« Milieu, das die evangelische Kirche prägt, gut ankommen, so etwa beim Thema Klimaschutz oder dem Kampf gegen rechts. Dementsprechend rief der frühere Bundespräsident Christian Wulff unter Beifall dazu auf, die AfD zu bekämpfen. Das Erstarken der Partei sei »keine zu beobachtende Nebensächlichkeit, sondern der Ernstfall für unser Land«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (5. Mai 2025 um 12:18 Uhr)Wer sich über die weitere Entwicklung der Linkspartei Illusionen gemacht hat, sollte sich über die verheerenden Positionen Bodo Ramelows in Friedensfragen im Klaren sein. Denn an dem geht in der Linkspartei so schnell nichts vorbei. Bei den Kirchen dagegen ist man ja schon seit Jahrhunderten gewohnt, dass sie Waffen segnen und den Heldenmut der Kriegführenden und Gefallenen preisen. Der Mensch – ein Geschöpf Gottes? Doch aber nicht, wenn er auf der Gegenseite steht! Was ist das für ein verqueres Denken und Handeln derer, die ständig behaupten, »Friede und euch allen ein Wohlgefallen« wäre ihr innigster Herzenswunsch.
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