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Aus: Ausgabe vom 05.05.2025, Seite 4 / Inland
AfD-Verbot

Mit Rechten umgehen

Debatte um Parteiverbot nach Einstufung der AfD als »rechtsextremistisch«. Dobrindt für Grenzkontrollen
Von Max Grigutsch
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Doppelstrategie der Union: Einhegung rechter Mitbewerber und Buhlen um deren Wähler (Berlin, 2.2.2025)

Noch nicht auf einen finalen Kurs eingenordet sind die »schwarz-roten« Koalitionäre im Umgang mit der »gesichert rechtsextremistischen« AfD. Hatte CSU-Chef Söder noch am Freitag von einem »finalen Weckruf« gesprochen, warnten nun Unions- und SPD-Vertreter vor »Schnellschüssen« und dergleichen. SPD-Chef Lars Klingbeil erklärte ein Verbotsverfahren gegen die AfD gegenüber der Bild am Sonntag (BamS) zu »einer Möglichkeit«, allerdings ginge es nicht um eine »schnelle Schlagzeile«. Der CDU-Vorsitzende und designierte Bundeskanzler Friedrich Merz meldete sich bis jW-Redaktionsschluss noch nicht zu Wort.

Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bislang als »Verdachtsfall« geführt hatte, teilte der Inlandsgeheimdienst am Freitag die Einstufung der Partei als »gesichert rechtsextremistisch« mit. AfD-Parteichef Tino Chrupalla sprach gegenüber dpa von einem »schwarzen Freitag für die Demokratie«. Er bekam Unterstützung unter anderem von Vertretern der US-amerikanischen Regierung, dem Techmilliardär Elon Musk und dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán. Zusammen mit der Kovorsitzenden Alice Weidel erklärte Chrupalla am Freitag in einer Mitteilung, sich »juristisch zur Wehr setzen« zu wollen.

»Besonnen« und zurückhaltend äußerten sich Politiker der SPD. Es gehe darum, die AfD »kleinzukriegen« – dafür sei ein »Verbotsverfahren, was jahrelang dauern könnte«, nicht das »alleinige Instrument«, erklärte Klingbeil der BamS. Er folgt damit dem Ton des amtierenden Kanzlers Olaf Scholz, der am Freitag angemahnt hatte, die Sache »nicht übers Knie« zu brechen. Auch Innenministerin Nancy Faeser zeigte sich am Freitag gegenüber dpa zögerlich; es gebe hohe verfassungsrechtliche Hürden für ein Verbot und »keinerlei Automatismus«. Der designierte Vizekanzler Klingbeil sieht vor allem die künftige Regierung in der Verantwortung, etwa »mit einem anderen politischen Stil« gegen die AfD vorzugehen.

Stilsicher prescht unterdessen der künftige CSU-Innenminister Alexander Dobrindt vor. Er kündigte gegenüber der BamS an, dass schon einen Tag nach seinem Amtsantritt – also am kommenden Mittwoch – »Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert« würden. Einig über ein AfD-Verbotsverfahren ist man sich in der Union jedoch nicht. Trommelten CDU-Politiker Marco Wanderwitz und Daniel Günther schon am Freitag für ein Verbot, hält Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg den Schritt für verfrüht. Das sagte sie am Sonntag im Deutschlandfunk. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul mahnte am Sonntag gegenüber WDR zu Geduld: »Eins nach dem anderen: Erst müssen die Fakten geprüft werden«, bremste er.

Entbrannt ist zudem eine Debatte um »gesichert rechtsextremistische« AfD-Mitglieder im Staatsdienst. Auch diesbezüglich warnte Reul vor »Schnellschüssen«. Anders der hessische Innenminister Roman Poseck, der bereits am Freitag gegenüber Bild eine Überprüfung angekündigt hatte; der bayerische Innenminister Joachim Herrmann zog seinem Amtskollegen am Sonnabend in der Bild nach. CDU-Politiker Roderich Kiesewetter sprach sich am Sonnabend gegenüber Handelsblatt für Entlassungen im Einzelfall aus. Verhalten äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei, deren Mitglieder wohl besonders betroffen wären; womöglich zwecks Vorbereitung konstatierte der Vorsitzende im Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, am Sonnabend gegenüber der Rheinischen Post, dass »zwingend ein bundesweit einheitliches Vorgehen notwendig« sei.

Auch abseits der Regierungsbänke hagelte es Wortmeldungen. Der Grünen-Chef Felix Banaszak rief Merz und Söder am Sonntag auf der Internetplattform X dazu auf, über ein AfD-Verbot zu reden. Von »fatalen Folgen« sprach hingegen FDP-Politiker Christian Dürr am Sonnabend gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und positionierte sich gegen ein AfD-Verbot. Das BSW sieht die AfD-Einstufung als Teil eines »autoritären Umbaus«, so Sahra Wagenknecht ebenfalls am Sonnabend. Klar für ein Parteiverbot sprachen sich die Linke-Chefs Heidi Reichinnek und Jan van Aken am Freitag in einer Pressemitteilung aus. Zu bundesweiten Protesten am kommenden Sonntag rief die Kampagne »AfD-Verbot jetzt« auf.

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