»Wir wollen weltweite Strukturen«
Interview: Gitta Düperthal
Weltweit beteiligten sich Initiativen und Bündnisse in über 60 Städten an den »Housing Action Days« Ende April. Sie protestierten damit gegen Immobilienspekulation, Verdrängung und eine insgesamt kapitalgesteuerte Wirtschaftspolitik. Wie fällt Ihr Fazit zu den zahlreichen Aktionen aus?
Die Aktionstage gegen Regierungen, die den Profit über das Leben und Wohnen der Menschen stellen, gibt es im europäischen Kontext seit 2020: in diesem Jahr dann global in der Woche vom 21. bis 27. April. Zuvor kamen im November 2024 bei der ersten »International People’s Assembly« Vertreterinnen und Vertreter von insgesamt 93 Graswurzelbewegungen aus 22 Ländern und vier Kontinenten im spanischen Barcelona zusammen, um voneinander zu lernen, sich im Kampf zu bestärken und die Aktionswoche weltweit zu organisieren.
Auf den Philippinen gab es eine besonders kämpferische Kampagne. Aktive kritisierten die zunehmende Wohnungslosigkeit, teurer werdende Lebensmittel und traten entschlossen für Arbeitsrechte ein. Was die BRD betrifft: In Leipzig gibt es noch bis in den Mai hinein Aktionen. Nicht nur »Mietenwahnsinn«-Bewegungen in Großstädten wie Berlin machten mit, sondern auch in Augsburg, Nürnberg, Aachen, Reutlingen, Weimar, et cetera.
Wo war der Widerstand gegen die Wohnungsnot besonders wirksam?
Wir stehen noch am Anfang, wollen Menschen gewinnen, mitzumachen. In einigen Städten gab es Demonstrationen, in anderen Nachbarschaftstreffen, um miteinander zu diskutieren und sich zu organisieren. Wir sind stolz darauf, es geschafft zu haben, mit Aktivistinnen und Aktivisten aus aller Welt zur Onlinekonferenz zusammenzukommen. Es gibt unterschiedliche Strukturen, Traditionen und Kulturen. Schon aufgrund verschiedener Zeitzonen ist das nicht einfach.
Von welchen Aktionen in der BRD können Sie berichten?
In Berlin-Kreuzberg gab es eine Kundgebung gegen zu hohe Mieten, Gentrifizierung und Wohnungsmangel. Auf den Leerstand von etwa 40.000 Häusern in Berlin wies ein aus einem Haus in Moabit herausgehängtes Banner hin. Solche Häuser bedürfen dringend einer notwendigen Instandsetzung. Die belgische Bewegung insistierte mit Aktionen in Charleroi, Brüssel und anderen Städten auf ein Ende der neoliberalen Praxis, und dass das Menschenrecht auf Wohnen wiederhergestellt wird.
Sie fordern ein Ende der »Vorherrschaft der Vermieter«: Wohnraum als garantiertes öffentliches Gut sowie klimaresistentes Wohnen. An wen wenden Sie sich mit Ihren Forderungen?
Zunächst geht es darum, uns miteinander gut zu vernetzen. Wir diskutieren jetzt, ob wir uns an die Regierungen der Nationalstaaten wenden, in unserem Fall etwa an die Europäische Union. Letztlich wird es lokal entschieden. Einzelne Initiativen wissen selber am besten, welche Politikebenen, Institutionen, Immobilienunternehmen sie kritisieren oder angreifen müssen.
In der ZDF-Sendung »Markus Lanz« vom Dienstag argumentierte der Moderator gegenüber Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linke-Fraktion: 60 Prozent der Wohnungsvermietungen nähmen nicht Konzerne wahr. Sie dienten dazu, die Rente von Kleinsparern aufzubessern. Was entgegnen Sie dem?
In verschiedenen Ländern ist die Lage unterschiedlich. Wir in Berlin fordern öffentlichen Wohnungsbau. Wohnen darf nicht zum beliebigen Geschäftsmodell verkommen, womit politische Kräfte jeweils für eigene Gewinne sorgen. Egal, ob es sich um einen Großkonzern oder Privatpersonen handelt: Profite mit der Miete darf es nicht geben. Wohnen ist ein Menschenrecht. Es sollte nichts mit finanzieller Vorteilsnahme zu tun haben.
Was steht für Ihre Bewegung als Nächstes an?
Für uns war es ein großer Schritt, die Vernetzung global anzugehen. Es geht um internationale Solidarität; darum, unsere Kräfte zu bündeln und unseren Widerstand besser aufzustellen. Wir wollen weltweite Strukturen für den Kampf für Land- und Wohngerechtigkeit schaffen.
Kim Meyer spricht für das »Mietenwahnsinn«-Bündnis, das an der Koordination der globalen »Housing Action Days« vom 21. bis 27. April beteiligt war
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