»Es wird keinen Cent zusätzlich geben«
Interview: Gitta DüperthalDas Gesetzespaket zur Krankenhausreform wird in den kommenden Wochen in Bundestag und Bundesrat beraten. Vergangenen Mittwoch wurde bei einer Veranstaltung in Mainz über die Zukunft der Krankenhäuser debattiert. Mit welchem Ziel?
Unter anderem ging es in der Diskussion darum, den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Namen »Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz« zu bewerten. Von der versprochenen »Entökonomisierung der Krankenhäuser« und dem Finanzieren von Vorhaltekosten unabhängig von Fallzahlen kann keine Rede sein. Es wird keinen Cent zusätzlich für das Gesundheitswesen geben. Das Geld soll umverteilt werden, hauptsächlich nach »Fallschwere«. Unikliniken und andere Krankenhäuser, die schon bisher großen Wert auf hohe »Fallschwere« im sogenannten Fallpauschalensystem legten, also auf große Einnahmen pro Fall, wie zum Beispiel die Helios-Kliniken, werden von der Umverteilung profitieren. Viele Krankenhäuser, die jetzt schon in roten Zahlen sind, werden noch stärker unter Druck geraten. Das ist das Gegenteil von »Entökonomisierung«.
Aktuell kommt es häufiger zu Krankenhausschließungen und Insolvenzen. Wie ist die Lage?
Im Einzugsgebiet von Düsseldorf schloss die insolvente katholische »Kplus-Gruppe« zwei Krankenhäuser. Im Essener Norden, dem ärmeren Teil der Stadt, hat die katholische Contilia-Gruppe das Marienhospital Altenessen und das St.-Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg geschlossen. Die unmittelbare Folge war, dass die Notaufnahmen der umliegenden Krankenhäuser überfüllt waren. Die Idee der Zentralisierungsbefürworterinnen und -befürworter, dass die Schließung kleiner und mittlerer Krankenhäuser problemlos von größeren kompensiert werden könnte, bestand den Praxistest nicht. Weitere Insolvenzen stehen bevor: Nach Auskunft der Deutschen Krankenhausgesellschaft schreiben etwa 80 Prozent der Kliniken rote Zahlen.
Reagiert die Bundesregierung auf die Sorge der Bevölkerung vor künftig unzureichender Gesundheitsversorgung?
Nein. Sie lässt das Krankenhaussterben zu. Ihre Vorstellung von der Organisation des Krankenhauswesens ist eine Zentralisierung nach dänischem Vorbild: Eine Kapitalkonzentration, die dazu führt, dass am Ende wenige private, staatliche und kirchliche Großkonzerne übrig bleiben und miteinander konkurrieren. Kleine und mittlere Krankenhäuser sind in diesem Konzept nicht vorgesehen. Was der Zentralisierung dient, ist aus Regierungssicht gut.
Ist der von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach zugesagte »ambulante Ersatz« nach einer Krankenhausschließung eine adäquate Lösung?
Das ambulante System kollabiert bekanntlich nachts, an Feiertagen und Wochenenden. Wer krank wird, muss dann ins Krankenhaus. Technisch gut ausgestattete ambulante Einrichtungen, die auch nachts und an Wochenenden geöffnet sind, in denen Ärztinnen, Pflegekräfte, Psychologen und Sozialarbeiter arbeiten, werden also dringend benötigt. Dazu können die geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen beitragen. Doch im Fall des Abbaus von Krankenhäusern nach dänischem Vorbild bräuchte die BRD nicht einige hundert solcher Einrichtungen, sondern ein Vielfaches davon. Die DDR hatte zum Beispiel vor der Wende 1.600 Polikliniken für damals 16,4 Millionen Einwohner. In Spanien gibt es 3.000 Gesundheitszentren mit über 10.000 Stationen für seine Bevölkerung von knapp 50 Millionen Menschen.
Müsste die Reform also gestoppt werden und kann das gelingen?
Das hoffe ich sehr. Die Bundesregierung greift mit ihren Sparplänen tief in die Planungshoheit der Länder ein. Der Gesetzentwurf sieht zum Beispiel vor, Jahr für Jahr einen bestimmten Prozentsatz der Krankenhäuser, denen die Bundesländer Leistungen zugewiesen haben, die also alle Qualitätskriterien erfüllen, dennoch willkürlich von der Vorhaltevergütung auszuschließen. Ich erwarte, dass die Länder dagegen vorgehen werden. Insbesondere finde ich es wichtig, dass die Schließung von Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen auf den Widerstand der davon betroffenen Bürgerinnen und Bürger stoßen wird. Dafür setzen sich jetzt schon lokale Bündnisse ein.
Achim Teusch ist Arzt und aktiv im »Verein demokratischer Ärzt*innen«, bei »Krankenhaus statt Fabrik« und in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi
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