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Aus: Ausgabe vom 18.04.2024, Seite 5 / Inland
Gesundheitssystem

Keine Betten im Osten

Krankenhauslandschaft in ostdeutschen Ländern seit 1990 stark ausgedünnt. Mit neuer »Klinikreform« drohen weitere Schließungen
Von Gudrun Giese
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Gehört in öffentliche Hand: OP-Saal in Sachsen

Am Mittwoch beriet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit den Gesundheitsministern der Länder einmal mehr seinen Gesetzentwurf zur Umstrukturierung des Krankenhaussektors. Gleichzeitig schließen Kliniken, weil ihnen das Geld ausgeht. Besonders dramatisch ist die Lage seit langem im Osten, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, die Sören Pellmann, Kovorsitzender der Gruppe Die Linke im Bundestag, abgefragt hat. Seit 1990 wurden in Ostdeutschland 93 von 366 Krankenhäusern geschlossen, 50.000 Betten fielen damit weg, was einem Rückgang von fast vierzig Prozent entspricht.

Mit Blick auf die am 1. September anstehende Landtagswahl in Sachsen äußerte sich Susanne Schaper, die dortige Spitzenkandidatin von Die Linke, in einer Pressemitteilung zur Entwicklung in diesem Bundesland. Von 112 Krankenhäusern, die es 1992 in Sachsen gab, seien heute noch 78 übrig. Knapp fünfzig Prozent der früheren 42.761 Klinikbetten wurden abgebaut.

Aktuell seien weitere Kliniken bedroht, so Schaper. »Die wirtschaftliche Situation vieler Krankenhäuser ist so schlecht wie nie, vor allem die kommunalen und freigemeinnützigen Häuser sind gefährdet.« Hintergrund seien die anhaltenden Kostensteigerungen. Die sächsische Regierungskoalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD stelle den Kliniken nicht die erforderlichen Investitionsmittel zur Verfügung. Obendrein bekämen die Krankenhäuser nicht einmal die vereinbarte Vergütung für die erbrachten stationären Leistungen. »Sachsens Krankenhauslandschaft wurde schon früh und mit aller Härte ausgedünnt«, stellte die Landtagsabgeordnete fest. Brächen die Strukturen nun weiter unkontrolliert weg, gefährde das die Versorgung der Menschen im Bundesland, vorwiegend im ländlichen Raum. »Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob Kranke gut versorgt werden!«

Auch wenn die Zahl der Krankenhausbetten nicht das Hauptkriterium für die Beurteilung der Versorgungsqualität in Kliniken sei und die Einwohnerzahl in Sachsen seit 1990 von gut 4,7 Millionen auf knapp 4,1 Millionen gesunken sei, stehe doch fest, dass das derzeitige Niveau unbedingt erhalten bleiben müsse. Insbesondere gelte das für alle ambulanten Standorte und die Notfallversorgung mit stationären Betten, Ganztagspolikliniken eingeschlossen. Die sächsische Staatsregierung solle vom Bund endlich Sofortmaßnahmen einfordern, »um Insolvenzen oder Schließungen von Krankenhäusern oder Stationen abzuwenden«, so Schaper. Für jede einzelne Klinik müsse mit den Kostenträgern ein Jahresbudget ausgehandelt werden. Völlig falsch sei dabei die Vorgabe, Gewinne zu erwirtschaften. Rettungsdienste und Notaufnahmen könnten im übrigen entlastet werden, indem ärztliche Bereitschaftspraxen in die Versorgung einbezogen würden.

Das alles sei problemlos finanzierbar, indem das Krankenversicherungssystem grundlegend umgestaltet werde. »Wir fordern: Eine Krankenkasse für alle, und zwar ohne ›Beitragsbemessungsgrenze‹, die hohe Monatseinkommen beitragsfrei stellt!« Ein weiteres Steigen der Kassenbeiträge sei unbedingt zu vermeiden.

Der Bundestagsabgeordnete Pellmann kritisierte in diesem Zusammenhang die geplante »Krankenhausreform« des Gesundheitsministers Lauterbach. Mit diesem Vorhaben drohten bundesweit weitere Schließungen. Rekommunalisierung sei das Gebot der Stunde. »Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand!«

Vor allem auf dem Land müsse die wohnortnahe medizinische Versorgung der Menschen gewährleistet werden. Derzeit sei die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser in den ländlichen Räumen dramatisch. Milliardendefizite würden vom Bund auf die Kliniken und die sie tragenden Kommunen abgewälzt. Die Folge seien kommunale Haushaltsdefizite. Vielerorts stehe die Daseinsvorsorge vor dem Zusammenbruch.

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