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Aus: Ausgabe vom 10.05.2024, Seite 8 / Ausland
Landbevölkerung in Guatemala

»Hier leidet jedes zweite Kind an Unterernährung«

Ein lokaler Zusammenschluss von Bauern kämpft in Guatemala gegen vielfältige Herausforderungen an. Ein Gespräch mit Domingo López Calo
Interview: Thorben Austen
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Der sogenannte trockene Korridor erstreckt sich über mehrere mittelamerikanische Länder: Von Trockenheit beeinträchtigte Gurkenpflanze in San Francisco de Coray, Honduras (13.8.2015)

Ihre Organisation, der Verband für Entwicklung in Salamchó (Asociación de Desarollo Salamchó, Asoc), besteht seit 20 Jahren. Was war 2004 der Grund für die Gründung?

Es ging uns darum, eine Organisation zu gründen für die Entwicklung unserer Gemeinden hier im sogenannten trockenen Korridor in Baja Verapaz, die das Leben der Menschen hier verbessert und die Abwanderung in Richtung USA reduziert. 2004 bei der Gründung waren wir 33 Personen, heute sind 11.500 Männer und Frauen aus 92 Gemeinden hier im Landkreis Cubulco bei uns organisiert.

Welche Arbeit leistet ihr Verband?

Wir arbeiten im Anbau von Kaffee und verschiedenen Gemüsesorten wie Sellerie, Kopfsalat und Tomaten. Wir organisieren den gemeinsamen Verkauf der Agrarprodukte, also, dass wir kollektiv besser mit den Abnehmern der Produkte verhandeln können. Darüber hinaus bekommen wir als Verband internationale Hilfe von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Hilfsorganisation Plan International. Wir haben zum Beispiel holzsparende Herde bekommen und Wassertanks. Außerdem haben wir unsere landwirtschaftliche Genossenschaft, die im gleichen Gebäude untergebracht ist wie unser Verband.

Werden die Felder kollektiv bewirtschaftetet?

Nein, jede Familie bewirtschaftet ihre Felder, nur der Verkauf findet gemeinsam statt.

Wie Sie sagten, liegen Ihre Gemeinden im sogenannten trockenen Korridor, eine niederschlagsarme Region in Zentralguatemala. Wir wirken sich die klimatischen Veränderungen auf die Landwirtschaft aus?

Das ist sehr deutlich zu merken. In den letzten Jahren stellen wir immer mehr fest, dass die Regenzeit immer später beginnt und manchmal ganz ausbleibt. Früher hat es im April angefangen zu regnen, so dass wir mit der Aussaat beginnen konnten. Jetzt regnet es manchmal erst, wenn überhaupt, im Juni oder Juli. Das wirkt sich natürlich auch auf die Ernährungssituation aus. In Guatemala leidet jedes zweite Kind an chronischer Unterernährung. Ich habe jetzt keine exakten Zahlen, aber ich denke, im Landkreis liegen die Zahlen noch über dem Landesdurchschnitt. Wir versuchen mit der Nutzung von Grundwasser oder Wasserleitungen aus den wenigen Flüssen der Region entgegenzuwirken, aber das ist nicht so einfach und an hohe Kosten gebunden.

Welche anderen Probleme gibt es in den Gemeinden?

Gesundheit und die hygienischen Bedingungen sind ein großes Problem. Nur wenige Familien aus unserem Verband haben Toiletten mit fließendem Wasser, manche nicht einmal einfache Latrinen. Ein Gesundheitsposten gibt es beispielsweise bei uns im Dorf nicht, nur im Nachbarort. Was die Bildung angeht, da hat sich die Situation verbessert. Wir haben seit 20 Jahren unsere Vor- und Grundschule in der Gemeinde, eine weiterführende Schule in der Nachbargemeinde. Die Schule entstand teils durch Eigeninitiative und auch durch internationale Hilfe, wird aber staatlich betrieben. Ich würde sagen, etwa 95 Prozent der Kinder besuchen die Grundschule und gut 40 Prozent die weiterführende Schule. Der Anteil an Mädchen in der weiterführenden Schule ab der siebten Klasse war immer gering, aber auch hier haben wir Fortschritte gemacht. Wir sind ein kleines Dorf, in diesem Jahr besuchen die acht Mädchen, die letztes Jahr die Grundschule beendet haben, jetzt auch alle die weiterführende Schule. Wir als Verband haben uns immer dafür eingesetzt, dass Männer und Frauen, Jungen und Mädchen die gleichen Rechte auf Bildung haben. Sie müssen beachten, viele Eltern der heutigen Schulkinder, besonders die Mütter, sind noch Analphabeten.

Seit gut drei Monaten ist mit Bernardo Arévalo ein Präsident im Amt, der die Verbesserung der Situation der indigenen Völker versprochen hat. Welche Hoffnungen haben Sie in die neue Regierung?

Wir hoffen, dass Arévalo Hilfsprogramme ausbaut. Wichtig wären für uns wie erwähnt Hilfen bei Bewässerungssystemen, so dass wir zum Beispiel das Wasser aus dem Fluss auf unsere Felder leiten können. Wichtig sind im Landkreis auch Förderungsprogramme für Frauen.

Domingo López Calo ist Vorsitzender und Gründungsmitglied des Verbands für Entwicklung in Salamchó (Asoc)

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