4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 23.04.2024, Seite 6 / Ausland
Guatemala

100 Tage Arévalo

Guatemala: Neuer Präsident mit widersprüchlicher Bilanz
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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Eines der Wahlversprechen von Bernardo Arévalo: Die Rechte Indigener stärken (Guatemala-Stadt, 16.1.2024)

In der kleinen Dorfschule in der Gemeinde Salamchó im Departamento Baja Verapaz sieht man die neue Regierung Guatemalas, die seit Mitte Januar im Amt ist, positiv. »Im Moment hervorragend«, sagt Schulleiter Alfredo Ramos im Gespräch mit jW. Unter den »4.000 Schulen, die Präsident Bernardo Arévalo renovieren, verbessern oder neu bauen will, ist auch meine Schule«, erklärt er stolz. Auch andere Schulen im Landkreis hätten schon Mittel für Renovierungen bekommen, beispielsweise für die Instandsetzung der Dächer.

Verbesserungen im unterfinanzierten und unter der grassierenden Korruption leidenden öffentlichen Bildungs- und Gesundheitssystem waren eines der zentralen Wahlversprechen des Sozialdemokraten von der Partei Semilla. Auch gegenüber der indigenen Bevölkerung – rund die Hälfte der Einwohner in dem mittelamerikanischen Land – hat er einen anderen Umgang versprochen. Tatsächlich unterzeichnete Arévalo in den ersten Monaten seiner Amtszeit mehrere Abkommen mit indigenen Autoritäten, in denen es unter anderem um die Anerkennung traditioneller Medizin ging.

Anfang Februar unterschrieb der Staatschef ein Abkommen über die Agrarproblematik mit verschiedenen Landarbeiter- und Kleinbauernorganisation. Guatemala gehört zu den Ländern mit der weltweit ungleichsten Landverteilung. Rafael Gonzales von der Landarbeiterorganisation »Komitee für Bauerneinheit« (Comité de Unidad Campesina, CUC) zog Mitte März im Gespräch mit dieser Zeitung eine im Prinzip positive Bilanz des Abkommens und bescheinigte der Regierung »den Willen, die Landfrage zu lösen«. Der Journalist Ollantay Itzamná, der auf seinem Blog soziale Bewegungen in Guatemala begleitet, kritisierte dagegen nach Unterzeichnung, dass in der Vereinbarung »weder ein Budget genannt« werde noch wieviel Land zur Verfügung stehe. »Es handelt sich um ein technisches Dokument in seiner (Arévalos) Sprache, jedoch ohne messbaren und überprüfbaren Zeitablauf.«

Sozialpolitisch hat sich bisher wenig bewegt angesichts hoher Armut, stark gestiegenen Lebensmittel- und seit Jahren hohen Medikamentenpreise. In der Monatszeitung Camino Socialista (Sozialistischer Weg), die von der kommunistischen Partei der Arbeit (Partido Guatemalteco del Trabajo, PGT) herausgegeben wird, heißt es in der Aprilausgabe: »Es handelt sich (bei Semilla) um eine Kraft, die sich, zumindest bisher, innerhalb der Rahmenbedingungen des ›politisch korrekten‹ bewegt (…), zu der wirtschaftlichen Situation der großen Volksmassen: kein Wort. Alles bleibt beim alten.« Schon in der Märzausgabe hatte die Partei festgestellt, dass von der neuen Regierung keine grundsätzlichen Veränderungen des wirtschaftlichen Systems und der Macht des Unternehmerverbandes CACIF zu erwarten sei. Dies würde »Arévalo weder können noch wollen«.

Für deutliche Kritik sorgt das schleppende Vorgehen der Regierung im Kampf gegen die alten Machteliten aus dem sogenannten Pakt der Korrupten. Diese hatten nach Arévalos Wahlsieg alles drangesetzt, seinen Machtantritt zu verhindern. Wochenlange Proteste und starker internationaler Druck sorgten letztlich dafür, dass er sein Amt überhaupt antreten konnte. Der »Pakt der Korrupten« hatte sich dabei vor allem der Generalstaatsanwältin Consuelo Porras bedient; diese ist aber weiterhin im Amt. Ende Februar stellte die Regierung zwar eine Anzeige gegen Porras, die zu ihrer Absetzung führen soll. Der Oberste Gerichtshof hat den Antrag aber bisher weder behandelt noch an den Kongress weitergeleitet. »Die Regierung schweigt dazu komplett, als wäre das irgendein administrativer Akt, der sich halt verzögert«, kritisiert der deutsche Anwalt Miguel Mörth in seiner Kolumne für das »Guatemalanetz Bern« Ende März.

Auch in der Frage der zahlreichen Personen, überwiegend unabhängige Juristen und Journalisten, die in den vergangenen Jahren ins Exil gegen mussten oder inhaftiert wurden, gibt es kaum Bewegung. Für den im Militärgefängnis »Mariscal Zavala« inhaftierten Journalisten José Rubén Zamora haben sich zwar die Haftbedingungen verbessert, schrieb die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Mitte April. Der in einem als konstruiert angesehen Verfahren wegen Geldwäsche Verurteilte bleibt aber trotz Aufhebung des Urteils in Haft. Die Überstellung in den Hausarrest bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens wird ihm verwehrt. Auch Zamora mahnt ein »radikaleres Vorgehen gegen die Korrupten« an. Sonst werde der im vergangenen Jahr abgebrochene Putschversuch doch noch beendet, sagte er der NZZ, und »Arévalo sitzt bald in der Zelle neben mir«.

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