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Aus: Ausgabe vom 25.01.2020, Seite 10 / Feuilleton
Stilkunde

Endlich Klarheit: Wie man Politiker anständig beschimpft

Von Pierre Deason-Tomory

Seitdem in Deutschland Ehrenmorde nicht mehr erlaubt sind, steigt die Verunsicherung stündlich, ob man Politiker beleidigen darf und wenn ja, wie. Im Falle der auf Facebook viel geschmähten Renate Künast hat das Berliner Landgericht in dieser Woche immerhin festgelegt, dass man sie durchaus beleidigen darf, wenn auch nur mit einem »Sachbezug«. Und dieser habe bei sechs von 22 verhandelten Verbalinjurien rechtswidrig gefehlt. Zum Beispiel darf man die Künast sinngemäß nicht beschimpfen als

– unordentliche, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person,

– ungewaschenes äußeres primäres Geschlechtsorgan weiblicher Säugetiere,

– verschmutzte deutsche Spielkarte mit höchstem Kartenwert oder

– leere, dreiseitig verholzte Schließfrucht.

Sie ein »Stück Scheisse« zu nennen verstößt zwar gegen die Regeln der Rechtschreibung, nicht aber gegen das Gesetz, urteilten die Berliner Landmuftis. Wo wir gerade bei der »vulgären Bezeichnung für Kot von Mensch und Tier« sind: Das Verwaltungsgericht Meiningen hat es im vergangenen Jahr erlaubt, Björn Höcke als einen »Faschisten« zu bezeichnen. Geklagt hatte übrigens nicht der säuselnde Provinzgeflügelführer selbst, sondern die Verwaltung der Thüringer Kleinstadt Eisenach, in der vier bekennende und höchstrichterlich legalisierte Nazis von der NPD im Stadtrat sitzen. Die Stadt hatte es als Beleidigung aufgefasst, Höcke in einem Demo-Aufruf als »Faschisten« einzuordnen. Man kann davon ausgehen, dass ihm selbst die fragliche Etikettierung eh viel zu lasch ist. Bleibt die Frage, ob Hitler beleidigt wäre, würde man Höcke einen »Hitler« nennen? Ich vermute es. So eine Pussy!

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