Leserbrief zum Artikel Fakten gegen Panikmache: Kleines Corona-Kompendium
vom 19.04.2020:
Kritischer Standpunkt fehlt
Vielen Dank für den Versuch einer Zusammenfassung zum alles beherrschenden Thema. Nach den vielen Wochen fällt es unangenehm auf, dass die Suche nach und die Interpretation von nüchternen Zahlen sich mehr als schwierig gestalten.
Es tauchen Parameter auf, die zur Einschätzung dienen sollten (Stichwort Reproduktionszahl), und immer wieder wird deren Wert als unzuverlässig bei der Einschätzung der Gefährlichkeit von Covid-19 bzw. der Wirksamkeit der Maßnahmen infrage gestellt, genauso wie die Zahlen zu den Infizierten oder Todesfällen auch. Dabei sind sich Ärzte, Virologen und Epidemiologen untereinander alles andere als einig. Als hätte es nie zuvor pandemisch auftretende Infektionskrankheiten gegeben, scheinen die Institutionen selbst damit überfordert zu sein, das Geschehen in Zahlen fassen zu können. Da werden Infektionszahlen genannt, ohne anzugeben, wie viele Tests im besagten Zeitraum gemacht wurden (von den zahlreichen Mehrfachtestungen derselben Personen ganz abgesehen), die Basisreproduktionszahl wird mit der effektiven Reproduktionszahl vertauscht usw. Das irritiert um so mehr, als gleichzeitig medial die Angstmache ins Bodenlose gesteigert wurde.
Als Apothekerin habe ich gerade mit älteren Patienten zu tun, die Angst davor haben, die Apotheke überhaupt zu betreten, mit Bargeld zu bezahlen oder bei Unterschrift einen Kugelschreiber von mir entgegenzunehmen. Es wird zunehmend schwieriger, Informationen zu vermitteln oder einfach nur zu beruhigen, damit auch die anderen Krankheiten, die viele Ältere nun mal haben und um die sie sich weiterhin kümmern müssen, nicht aus dem Blickfeld geraten. Aber nicht mal zum Sinn oder Unsinn von Masken gibt es einheitliche Empfehlungen. Da liegt die Kassenärztliche Bundesvereinigung mal eben konträr zur WHO.
Ich erwarte keine einheitliche Meinung, auch wissenschaftliche Erhebungen können unterschiedlich interpretiert werden. Wie aber sollen getroffene Maßnahmen eingeschätzt werden, wenn nicht einmal stichprobenartig ermittelt wurde, wie sich Ausbreitung und Letalität des Virus verhalten? (...) Hier fehlt mir der kritische Standpunkt, den die jW bei politischen, ökonomischen und historischen Themen immer so wunderbar vertreten hat ...
Es tauchen Parameter auf, die zur Einschätzung dienen sollten (Stichwort Reproduktionszahl), und immer wieder wird deren Wert als unzuverlässig bei der Einschätzung der Gefährlichkeit von Covid-19 bzw. der Wirksamkeit der Maßnahmen infrage gestellt, genauso wie die Zahlen zu den Infizierten oder Todesfällen auch. Dabei sind sich Ärzte, Virologen und Epidemiologen untereinander alles andere als einig. Als hätte es nie zuvor pandemisch auftretende Infektionskrankheiten gegeben, scheinen die Institutionen selbst damit überfordert zu sein, das Geschehen in Zahlen fassen zu können. Da werden Infektionszahlen genannt, ohne anzugeben, wie viele Tests im besagten Zeitraum gemacht wurden (von den zahlreichen Mehrfachtestungen derselben Personen ganz abgesehen), die Basisreproduktionszahl wird mit der effektiven Reproduktionszahl vertauscht usw. Das irritiert um so mehr, als gleichzeitig medial die Angstmache ins Bodenlose gesteigert wurde.
Als Apothekerin habe ich gerade mit älteren Patienten zu tun, die Angst davor haben, die Apotheke überhaupt zu betreten, mit Bargeld zu bezahlen oder bei Unterschrift einen Kugelschreiber von mir entgegenzunehmen. Es wird zunehmend schwieriger, Informationen zu vermitteln oder einfach nur zu beruhigen, damit auch die anderen Krankheiten, die viele Ältere nun mal haben und um die sie sich weiterhin kümmern müssen, nicht aus dem Blickfeld geraten. Aber nicht mal zum Sinn oder Unsinn von Masken gibt es einheitliche Empfehlungen. Da liegt die Kassenärztliche Bundesvereinigung mal eben konträr zur WHO.
Ich erwarte keine einheitliche Meinung, auch wissenschaftliche Erhebungen können unterschiedlich interpretiert werden. Wie aber sollen getroffene Maßnahmen eingeschätzt werden, wenn nicht einmal stichprobenartig ermittelt wurde, wie sich Ausbreitung und Letalität des Virus verhalten? (...) Hier fehlt mir der kritische Standpunkt, den die jW bei politischen, ökonomischen und historischen Themen immer so wunderbar vertreten hat ...
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.05.2020.