4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Sa. / So., 04. / 5. Mai 2024, Nr. 104
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Fakten gegen Panikmache: Kleines Corona-Kompendium vom 19.04.2020:

Umgang mit Zahlen

So schwierig ist der Umgang mit Statistiken eigentlich nicht. Es erfordert aber Ehrlichkeit in der Darstellung dessen, was man weiß, mit welcher Genauigkeit, und was man vielleicht nicht weiß. Der Umgang mit disjunkten Daten ist in vielen wissenschaftlichen Bereichen, z. B. der Physik, oftmals eher die Regel als die Ausnahme. Dafür gibt es das Instrumentarium des Fehlerbalkens bzw. des Konfidenzintervals.
Die Dunkelziffer (bzw. Untererfassung) Infizierter ist stark länderabhängig. Gemäß einer Studie der Universität Göttingen lag die Untererfassung am 30.3.2020 in Deutschland bei einem Faktor von etwas unter 4. Das Robert-Koch-Institut nennt hier unterschiedliche Intervalle, einmal 4,5–11,1, ein anderes Mal 11-20. Der von Ihnen genannte Faktor 10 ist eine Schätzung, welche um einiges falsch sein kann und zu entsprechend bestenfalls geschätzten Werten für die Letalität führt. Fragen, welche Leben oder Tod bedeuten können, mit Schätzungen zu beantworten, halte ich für fahrlässig.
Die tatsächliche Letalität von Corona kenne ich genausowenig wie sonst irgend jemand. Man kann aufgrund der verschiedenen Studien aber doch ein (relativ breites) Intervall angeben. Diesem Wissensstand wird das »Corona-Kompendium« aber leider nicht gerecht. Der einzige Wert, welcher im »Corona-Kompendium« für die Letalität genannt wird, sind die 0,37 Prozent aus der Heinsberg-Studie. Wie schon gesagt, liegt dieser Wert im unteren Bereich publizierter Werte und hat eine hohe statistische Unsicherheit, welche die Autoren leider nicht angeben. Dieser Umstand hat zu sehr berechtigter Kritik an dieser Studie geführt.
Vollends schief wird die Aussage, wenn diese (niedrige) Heinsberg-Letalität mit der (hohen) Grippe-Letalität im Winter 2017 (die Wintergrippe 2017 war die tödlichste der letzten 30 Jahre) verglichen wird. Hier wird das »Corona-Kompendium« durch die Zusammenstellung dieser beiden Zahlen leider geradezu unredlich. Wie Sie ja sicher wissen, behaupten sowohl rechte Gruppierungen als auch »alternative Medien« wie KenFM immer wieder, Corona sei nicht gefährlicher als eine Grippe. Durch Ihre Zahlenauswahl stützen Sie leider diese Behauptung.
Ansonsten ist das »Corona-Kompendium« ja sehr gut gemacht. Es wäre wünschenswert, wenn es das an dieser zentralen Stelle auch wäre.
Matej Mayer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.05.2020.
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • Kritischer Standpunkt fehlt

    Vielen Dank für den Versuch einer Zusammenfassung zum alles beherrschenden Thema. Nach den vielen Wochen fällt es unangenehm auf, dass die Suche nach und die Interpretation von nüchternen Zahlen sich ...
    Polina Mattis
  • »Corona« ist nicht harmlos

    Ich bin jetzt erstmals auf das Online-Extra »Kleines Corona-Kompendium« aufmerksam geworden. Hier schreibt Ihr: »Die Heinsberg-Studie ermittelte einen Letalitätswert von 0,37 Prozent – dies läge in de...
    Matej Mayer
  • Vernachlässigte Themen

    Die letzten Tage kam das Thema »Multiorganversagen« bei/durch Covid-19 auf, vor allem im Zusammenhang mit Beatmung. Anscheinend kann das Virus die verschiedensten Epithelien befallen und so zu Multi...
    Heinrich Hopfmüller
  • Drei Gesichter

    Ein altes Sprichwort behauptet vom Arzt früherer Zeiten, er habe drei Gesichter: Im Alltagsleben sehe er wie ein Mensch, am Krankenbett wie ein Engel aus, doch habe er das Antlitz eines Teufels, wenn ...
    Istvan Hidy
  • Unglaubliche Schlampereien um Schutz vor »Corona«

    Die stetige Absenkung der Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal in der aktuellen Situation ist ein Riesenskandal. Nach Recherchen der »Tagesschau« vom 16. April sind bereits circa 6.400 Ärzte ...
    Angela Münch, Notfallmedizinerin und Ärztin auf einer Intensivstation
  • Schwierige Fragen

    Vielen Dank für Euer Corona-Update. Es ist wirklich eine gute Zusammenfassung. Allerdings scheint Euch – was den Klassenstandpunkt betrifft – das Virus allesamt unter Schock gesetzt zu haben. Selbst d...
    (Name der Redaktion bekannt)
  • Wasser in den Main

    Vielleicht trage ich mit meinem nachfolgenden Tip Wasser in den Main, wie man bei uns hier in Hessen sagen würde, doch, um im Bilde zu bleiben, viele Tropfen können einen Fluss durchaus mächtiger mach...
    Otto Frank, Alsfeld
  • Kurze Bilanz

    Der beste Lehrmeister ist immer noch das Leben … im real existierenden Kapitalismus. Da haben wir gedacht: So schnell nach Irak-Lügen, 9/11 und »MH17« gibt es nicht wieder ein spektakuläres gesellscha...
    Frank Schubert
  • Irrsinn der Verordnungen

    Ich bin 77 Jahre und habe also Zeit, die Fernsehsendungen zum Thema Corona zu verfolgen. Ob bei Markus Lanz oder bei Maybrit Illner, überall war dies in der letzten Zeit ein Hauptthema mit »Experten«....
    Johannes Kollenda, Erkner
  • Lange Rede, kurzer Sinn

    Lange Rede, kurzer Sinn, Zitat: »80 Prozent der Fälle verlaufen leicht (mild bis normal), 16 Prozent schwer und etwa sechs Prozent kritisch. In einem untersuchten Fall einer abgeschlossenen Population...
    Istvan Hidy
  • Riesiges Kompendium

    Allerherzlichsten Dank für dieses Kompendium! Es sollte Pflichtlektüre für alle Lehrkräfte und Lernenden (die alt genug dafür sind) werden. Eine solche konkrete Anleitung, verbunden mit Fakten- und Zu...
    Heinrich Hopfmüller