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Leserbrief zum Artikel Sanktionsregime: 15 Jahre Verfassungsbruch vom 06.11.2019:

Kapitalistische Menschenverwertung

Seit die unsäglichen, gegen Freiheit, Demokratie und Menschenrecht installierten Instrumente kapitalistischer Ausbeutung bestehen, fehlt es an der machtvollen Gegenwehr. Schwer zu verstehen, aber leider auch erklärlich. Zu erinnern wäre, wie es nicht zufällig mit einem SPD-Kanzler begann, Menschen als faul, arbeitsscheu, schmarotzerhaft pauschalisierend zu diffamieren. Die Meinungsmache für die Stammtische hat perfekter funktioniert als jede gewerkschaftliche und linke Aufklärung. Seither werden Millionen Menschen brutalst, entwürdigendst ausgegrenzt. Hartz hat zu Stigmatisierung und Verurteilung von Menschen geführt. Dümmlichste verurteilende Sprüche bestimmen bis heute das Meinungsbild der Straße, und wenig Verstand, Solidarisches oder Begreifen ist in der Klasse erkennbar. Im Gegenteil. Woher könnte das kommen, wenn nicht von Gewerkschaften, Linken und allen, denen Kapitalismus mehr sagt als allen seinen Anbetern?
Geht es um einige Euro mehr, um Prüfung der Sanktionen zum Rechtssystem, so wird es wild und laut unter dem Kapital mit sofortiger Stimmungsmache. Kein Wort davon, was Arbeitslosigkeit ursächlich mit Kapitalismus zu tun hat und dass sie mit allen Auswüchsen nie ein Problem des Individuums ist, nicht einmal des faulsten der faulen, wenn es das gibt. So soll es aber ankommen auf der Straße und am Stammtisch. Keiner soll auf die Idee kommen, wo gerade die Jubelgesänge der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte über die gefallene Mauer, Grenzen usw. erklingen, die Frage zu stellen, was Hartz und mehr damit zu tun haben. Arbeitszwang soll es nur in der DDR gegeben haben. Die hier Faule und Schlimmeres genannt werden, sollen verdeckte Arbeitslose gewesen sein. Arbeitsunwillige seien zwanghaft in Arbeit gebracht worden, oder auch von Lagern wird gern geredet. Warum die anhaltenden Freiheitsgebete nicht erklären, warum die DDR keine Hartz-»Freiheiten« und -»Rechte«, keine unmenschlichen Sanktionen brauchte uvm., keinen Zwang und keine Entwürdigung und keine Arbeit, von der man nicht leben kann, kannte, sollte eine Frage wert sein. Das um so mehr, als jeder, der in der DDR etwas zu tun hatte mit Arbeitsämtern, Arbeitsvermittlungen, Rehabilitation, Eingliederungen von Menschen in den Arbeitsprozess usw., mit Sicherheit auch weiß, dass die Faulen, die heute als ein bedeutender Anteil erscheinen sollen, nie und nimmer überhaupt nennenswert waren und es hier und heute nicht anders ist. Wirklich menschliches Mühen, Helfen, Fordern und Fördern, das hat es nie zum Problem werden lassen. Hier muss es Problem sein, weil sonst kapitalistische Menschenverwertung nicht erklärbar ist.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.11.2019.
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