Leserbrief zum Artikel Sanktionsregime: 15 Jahre Verfassungsbruch
vom 06.11.2019:
Garantiertes Existenzminimum
Die Menschenwürde ist eine verdienstlose Anerkennung, und sie ist ausnahmslos richtig. Sie ist unbezahlbar – und eben deshalb müssen wir sie (uns) leisten können.
Eine wie auch immer geartete Relativierung, eine optionale Definition der menschlichen Würde kann und darf es nicht geben. Allein der Gedanke daran erscheint mir inhuman und nihilistisch; er verbietet sich. Unbestritten ist die Menschenwürde ein großes, leider oftmals unerhörtes Versprechen. Aber gerade in diesem schmerzlichen Bewusstsein dürfen wir auf keinen Fall aufhören, diese Zusage von Mensch zu Mensch immer und immer wieder hör- und sichtbar einzufordern.
Daher weist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen zwar in die richtige Richtung, es bleibt dennoch sozial unvollendet. Denn der Terminus »Existenzminimum« darf kein zynischer Euphemismus sein, der per mannigfacher Kürzung nicht nur in vita reali, sondern eben de jure unterlaufen wird. Der Gesetzgeber sollte zudem gänzlich von der Negativierung des Forderns durch Sanktionierung Abstand nehmen. Zumal die Auswirkungen der bisherigen Forderungsregelungen nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen weder für den einzelnen noch gesamtgesellschaftlich als zielführend beschrieben werden können.
Es braucht vielmehr eine Positivierung des Forderns; durch die Gewährung eines »echten«, garantierten Existenzminimums und der Möglichkeit, Motivationen durch Leistungsprämien zu fördern.
Darüber hinaus braucht es für nachhaltigen sozialen Frieden, Kernelement jeder funktionierenden Gesellschaft, freilich eine Humanpolitik mit konstruktiv aufeinander abgestimmten Komponenten, die bei Bedarf für alle gleichermaßen verständlich wie unbürokratisch sind und sinnvoll Wirkung entfalten. Zwar können wir diesem überaus komplexen Anspruch mitunter unterliegen, nichtsdestotrotz müssen wir uns dieser Aufgabe höchst begründet und unentwegt stellen.
Dabei kann es hilfreich sein, (auch) in diesem Zusammenhang einen Blick etwa auf die »Theorie der Gerechtigkeit« des amerikanischen Philosophen John Rawls zu werfen.
Skeptikern und Kritikern einer allzu »gutmütigen« Sozialpolitik sei bei alledem indes eingeräumt, dass es gewiss auf allen Ebenen einer Gesellschaft »Faulprotze« gibt, die sich, wie dieser Tage auf dem Titelblatt »der« großen Zeitung Deutschlands, höchst verantwortungslos und kurzsichtig geben.
Jedoch teile ich die Überzeugung soziologischer Wissenschaft und Forschung, dass die allermeisten Empfänger von staatlichen Sozialleistungen über deutlich mehr Selbstachtung und über mehr Respekt gegenüber ihren Mitmenschen verfügen. Denn nur so kann Sozialpolitik – kulturell wie arithmetisch – verständlicherweise gelingen und Bestand haben.
Eine wie auch immer geartete Relativierung, eine optionale Definition der menschlichen Würde kann und darf es nicht geben. Allein der Gedanke daran erscheint mir inhuman und nihilistisch; er verbietet sich. Unbestritten ist die Menschenwürde ein großes, leider oftmals unerhörtes Versprechen. Aber gerade in diesem schmerzlichen Bewusstsein dürfen wir auf keinen Fall aufhören, diese Zusage von Mensch zu Mensch immer und immer wieder hör- und sichtbar einzufordern.
Daher weist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen zwar in die richtige Richtung, es bleibt dennoch sozial unvollendet. Denn der Terminus »Existenzminimum« darf kein zynischer Euphemismus sein, der per mannigfacher Kürzung nicht nur in vita reali, sondern eben de jure unterlaufen wird. Der Gesetzgeber sollte zudem gänzlich von der Negativierung des Forderns durch Sanktionierung Abstand nehmen. Zumal die Auswirkungen der bisherigen Forderungsregelungen nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen weder für den einzelnen noch gesamtgesellschaftlich als zielführend beschrieben werden können.
Es braucht vielmehr eine Positivierung des Forderns; durch die Gewährung eines »echten«, garantierten Existenzminimums und der Möglichkeit, Motivationen durch Leistungsprämien zu fördern.
Darüber hinaus braucht es für nachhaltigen sozialen Frieden, Kernelement jeder funktionierenden Gesellschaft, freilich eine Humanpolitik mit konstruktiv aufeinander abgestimmten Komponenten, die bei Bedarf für alle gleichermaßen verständlich wie unbürokratisch sind und sinnvoll Wirkung entfalten. Zwar können wir diesem überaus komplexen Anspruch mitunter unterliegen, nichtsdestotrotz müssen wir uns dieser Aufgabe höchst begründet und unentwegt stellen.
Dabei kann es hilfreich sein, (auch) in diesem Zusammenhang einen Blick etwa auf die »Theorie der Gerechtigkeit« des amerikanischen Philosophen John Rawls zu werfen.
Skeptikern und Kritikern einer allzu »gutmütigen« Sozialpolitik sei bei alledem indes eingeräumt, dass es gewiss auf allen Ebenen einer Gesellschaft »Faulprotze« gibt, die sich, wie dieser Tage auf dem Titelblatt »der« großen Zeitung Deutschlands, höchst verantwortungslos und kurzsichtig geben.
Jedoch teile ich die Überzeugung soziologischer Wissenschaft und Forschung, dass die allermeisten Empfänger von staatlichen Sozialleistungen über deutlich mehr Selbstachtung und über mehr Respekt gegenüber ihren Mitmenschen verfügen. Denn nur so kann Sozialpolitik – kulturell wie arithmetisch – verständlicherweise gelingen und Bestand haben.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 30.11.2019.