Leserbrief zum Artikel Sanktionsregime: 15 Jahre Verfassungsbruch
vom 06.11.2019:
Aushöhlung des Grundgesetzes
Selbst ohne Sanktionen ist der Hartz-IV-Regelsatz über 432 Euro im Monat für ein Leben in Menschenwürde und eine normale Teilhabe an der Gesellschaft viel zu niedrig. Die davon abhängigen Hartz-IV-Bezieher, das sind neben Langzeitarbeitslosen auch Armutsrentner, deren Alters- oder Erwerbsminderungsrente dank der von der SPD durchgeführten Kürzungsorgie bei den Renten unterhalb des Hartz-IV-Regelsatzes liegt und welche wegen langer Zeiten mit prekärer Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in ihrer Erwerbsbiographie, welche als Rentenbeitragszeiten nicht anerkannt werden, oder wegen eines unverschuldeten frühen Eintretens einer vollen Erwerbsminderung 35 Beitragsjahre nicht nachweisen bzw. nicht mehr erreichen können und deshalb keinen Anspruch auf die Grundrente haben, müssen auf vieles verzichten, was für Normalverdiener selbstverständlich ist. Sie sind vom Konsum über den vom Staat festgelegten Regelbedarf hinaus ausgeschlossen, können selbst zu obszön niedrigen Preisen nicht in den Urlaub fahren und sehen bezüglich einer Verbesserung ihrer chronisch sehr prekären Einkommenssituation kein Licht am Ende des Tunnels.
Für das Bundesverfassungsgericht liegt die Armutsgrenze nicht bei 60 Prozent des verfügbaren Nettodurchschnittseinkommens, sondern es hat diese genau in der Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes definiert, welcher nur 25 Prozent desselben entspricht, und erlaubt zudem eine Absenkung um 30 Prozent für die Langzeitarbeitslosen, die nicht mit dem Jobcenter »kooperieren« wollen, also nicht bereit sind, jede vom Jobcenter »angebotene« sinnlose Maßnahme oder Arbeit anzunehmen.
Damit werden für die Hartz-IV-Bezieher die im Grundgesetz enthaltenen Artikel 1 (Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte) und Artikel 2 (persönliche Freiheitsrechte und Vertragsfreiheit) eingeschränkt und der Artikel 12 (Berufsfreiheit), wonach jeder selbst entscheiden kann, ob und, wenn ja, welcher Beruf ausgeübt werden soll, sowie die von der BRD ratifizierten ILO-Übereinkommen Nr. 29 und 105 über das Verbot von Zwangsarbeit, wonach jede Art von Arbeit, die von einer Person unter der Androhung irgendeiner Strafe, hier der Kürzung des ohnehin schon menschenunwürdig niedrigen Hartz-IV-Regelsatzes, verlangt wird und welche sich für diese Arbeit nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, sogar außer Kraft gesetzt.
Leider nutzt das BVerfG nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten voll aus. Anstatt die beiden vergangenen Klagen mit den Anträgen einer deutlichen Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes mit dem Hinweis auf den breiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abzuweisen, hätte sich hier das BVerfG ernsthaft mit der Höhe des Regelsatzes auseinandersetzen müssen, ob dieser bei einem langwierigen Bezug auch über eine unbestimmte Zeit über Jahre und Jahrzehnte hinweg ausreicht, um damit wirklich den kompletten Lebensunterhalt einschließlich der Reparatur und des Ersatzes von langlebigen, bedarfsnotwendigen Haushaltsgegenständen wie z. B. Waschmaschine, Sitzmöbel, Matratze oder Bett immer zu 100 Prozent finanzieren zu können, daraus schlussfolgernd einen deutlich höheren Hartz-IV-Regelsatz auch gegen den Willen des Gesetzgebers durchzusetzen. Im aktuellen Urteil über die Hartz-IV-Sanktionen hätte das BVerfG durchaus die Möglichkeit gehabt, Sanktionen unter das Existenzminimum auch mit den Hinweisen auf den Verstoß gegen die Artikel 1, 2 und 12 des Grundgesetzes komplett zu untersagen.
Langwierige Bezieher des Hartz-IV-Regelsatzes sind neben Langzeitarbeitslosen, welche wegen des auch heute bestehenden Arbeitskräfteüberhanges, welcher sich durch die Digitalisierung wieder sehr deutlich vergrößern wird, auf dem 1. Arbeitsmarkt keine Erwerbsarbeit finden können, vor allem nach dem 1. Januar 1961 geborene voll Erwerbsgeminderte, welche insbesondere bei einem frühen Eintritt der Erwerbsminderung eine unterhalb des Hartz-IV-Regelsatzes liegende Erwerbsminderungsrente beziehen, sowie zunehmend auch Altersrentner, deren Altersrente nach einer vor allem durch prekäre Beschäftigung und lange Zeiten von Arbeitslosigkeit geprägten Erwerbsbiographie unterhalb des Regelsatzes liegt, wenn diese bis zum Beginn der Erwerbsminderungs- oder Altersrente weniger als 35 Beitragsjahre nachweisen können und demnach keinen Anspruch auf Grundrente haben. Bei der Aufstockung der unterhalb des Regelsatzes liegenden Erwerbsminderungs- und Altersrenten werden diese ohne Freibeträge auf die Hartz-IV-Aufstockung voll angerechnet, so dass der Rentner insgesamt über ein Gesamteinkommen nur in Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes verfügt.
Die Politik und die Richter der Sozialgerichte sowie am BVerfG sollten mit langjährigen Beziehern von Hartz IV in Kontakt treten, um sich selbst ein Bild von deren durch das niedrige Einkommen verursachten vielen finanziellen Problemen und dem daraus resultierenden sehr niedrigen Lebensstandard zu machen, wenn man nur den Hartz-IV-Regelsatz oder ein gleich hohes Einkommen z. B. als mit Hartz IV aufstockender Erwerbsminderungs- oder Altersrentner zur Verfügung hat, um daraus die richtigen Schlussfolgerungen für eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes weit über die in den letzten Jahren erfolgten, nur homöopathischen Erhöhungen zu ziehen. Andernfalls stehen Hartz-IV-Empfänger sowie Bezieher von Einkommen in Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes oder nur geringfügig darüber weiterhin vor einer unüberwindbaren Mauer aus Geld, welche die Gesellschaft in Arme und Reiche spaltet, und haben inzwischen die Hoffnung auf eine nachhaltige Verbesserung ihrer chronisch sehr prekären Einkommensverhältnisse verloren.
Für das Bundesverfassungsgericht liegt die Armutsgrenze nicht bei 60 Prozent des verfügbaren Nettodurchschnittseinkommens, sondern es hat diese genau in der Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes definiert, welcher nur 25 Prozent desselben entspricht, und erlaubt zudem eine Absenkung um 30 Prozent für die Langzeitarbeitslosen, die nicht mit dem Jobcenter »kooperieren« wollen, also nicht bereit sind, jede vom Jobcenter »angebotene« sinnlose Maßnahme oder Arbeit anzunehmen.
Damit werden für die Hartz-IV-Bezieher die im Grundgesetz enthaltenen Artikel 1 (Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte) und Artikel 2 (persönliche Freiheitsrechte und Vertragsfreiheit) eingeschränkt und der Artikel 12 (Berufsfreiheit), wonach jeder selbst entscheiden kann, ob und, wenn ja, welcher Beruf ausgeübt werden soll, sowie die von der BRD ratifizierten ILO-Übereinkommen Nr. 29 und 105 über das Verbot von Zwangsarbeit, wonach jede Art von Arbeit, die von einer Person unter der Androhung irgendeiner Strafe, hier der Kürzung des ohnehin schon menschenunwürdig niedrigen Hartz-IV-Regelsatzes, verlangt wird und welche sich für diese Arbeit nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, sogar außer Kraft gesetzt.
Leider nutzt das BVerfG nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten voll aus. Anstatt die beiden vergangenen Klagen mit den Anträgen einer deutlichen Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes mit dem Hinweis auf den breiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abzuweisen, hätte sich hier das BVerfG ernsthaft mit der Höhe des Regelsatzes auseinandersetzen müssen, ob dieser bei einem langwierigen Bezug auch über eine unbestimmte Zeit über Jahre und Jahrzehnte hinweg ausreicht, um damit wirklich den kompletten Lebensunterhalt einschließlich der Reparatur und des Ersatzes von langlebigen, bedarfsnotwendigen Haushaltsgegenständen wie z. B. Waschmaschine, Sitzmöbel, Matratze oder Bett immer zu 100 Prozent finanzieren zu können, daraus schlussfolgernd einen deutlich höheren Hartz-IV-Regelsatz auch gegen den Willen des Gesetzgebers durchzusetzen. Im aktuellen Urteil über die Hartz-IV-Sanktionen hätte das BVerfG durchaus die Möglichkeit gehabt, Sanktionen unter das Existenzminimum auch mit den Hinweisen auf den Verstoß gegen die Artikel 1, 2 und 12 des Grundgesetzes komplett zu untersagen.
Langwierige Bezieher des Hartz-IV-Regelsatzes sind neben Langzeitarbeitslosen, welche wegen des auch heute bestehenden Arbeitskräfteüberhanges, welcher sich durch die Digitalisierung wieder sehr deutlich vergrößern wird, auf dem 1. Arbeitsmarkt keine Erwerbsarbeit finden können, vor allem nach dem 1. Januar 1961 geborene voll Erwerbsgeminderte, welche insbesondere bei einem frühen Eintritt der Erwerbsminderung eine unterhalb des Hartz-IV-Regelsatzes liegende Erwerbsminderungsrente beziehen, sowie zunehmend auch Altersrentner, deren Altersrente nach einer vor allem durch prekäre Beschäftigung und lange Zeiten von Arbeitslosigkeit geprägten Erwerbsbiographie unterhalb des Regelsatzes liegt, wenn diese bis zum Beginn der Erwerbsminderungs- oder Altersrente weniger als 35 Beitragsjahre nachweisen können und demnach keinen Anspruch auf Grundrente haben. Bei der Aufstockung der unterhalb des Regelsatzes liegenden Erwerbsminderungs- und Altersrenten werden diese ohne Freibeträge auf die Hartz-IV-Aufstockung voll angerechnet, so dass der Rentner insgesamt über ein Gesamteinkommen nur in Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes verfügt.
Die Politik und die Richter der Sozialgerichte sowie am BVerfG sollten mit langjährigen Beziehern von Hartz IV in Kontakt treten, um sich selbst ein Bild von deren durch das niedrige Einkommen verursachten vielen finanziellen Problemen und dem daraus resultierenden sehr niedrigen Lebensstandard zu machen, wenn man nur den Hartz-IV-Regelsatz oder ein gleich hohes Einkommen z. B. als mit Hartz IV aufstockender Erwerbsminderungs- oder Altersrentner zur Verfügung hat, um daraus die richtigen Schlussfolgerungen für eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes weit über die in den letzten Jahren erfolgten, nur homöopathischen Erhöhungen zu ziehen. Andernfalls stehen Hartz-IV-Empfänger sowie Bezieher von Einkommen in Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes oder nur geringfügig darüber weiterhin vor einer unüberwindbaren Mauer aus Geld, welche die Gesellschaft in Arme und Reiche spaltet, und haben inzwischen die Hoffnung auf eine nachhaltige Verbesserung ihrer chronisch sehr prekären Einkommensverhältnisse verloren.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.11.2019.