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Aus: Migration, Beilage der jW vom 18.06.2025
Faschismus an der Macht

Trumps Kriegserklärung

US-Regierung treibt Repression gegen Migranten und unerwünschte Ausländer voran. Haushaltsvorlage rüstet ICE und Militär weiter auf. Von Alex Favalli
Von Alex Favalli
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Macht die Pizza billiger: Ein ausländischer Arbeiter bereitet den Teig in einem italienischen Restaurant vor (Mailand, 26.4.2023)

Bereits vor ihrer Eskalation in Kalifornien hat die Bundesregierung in Washington einen Großangriff auf angeblich illegale Migranten gefahren. Trumps »Big Beautiful Bill« wurde Ende Mai vom US-Repräsentantenhaus durchgeboxt. Die Haushaltsvorlage ist nicht weniger als der Versuch, Migration systematisch zu kriminalisieren, soziale Rechte abzubauen und die Idee einer – rassistisch motivierten – Abschottungspolitik zu institutionalisieren. Die Folgen könnten Millionen Menschen ins Elend stürzen – und dem autoritären Kapitalismus neuen Raum geben.

Das Congressional Budget Office rechnet mit mindestens 7,6 Millionen Menschen, darunter viele Migranten, die ihre Krankenversicherung verlieren werden. Politiker der Demokraten sprechen sogar von bis zu 15 Millionen. Gleichzeitig soll der Reichtum der obersten zehn Prozent der Haushalte steigen, während die unteren zehn Prozent verlieren. »Illegale Einwanderer erhalten keine vom Steuerzahler finanzierten Medicaid-Leistungen mehr«, heißt es aus dem Weißen Haus. »Dieser Gesetzentwurf beseitigt Verschwendung, Betrug und Missbrauch, indem er die Leistungen für mindestens 1,4 Millionen illegale Einwanderer, die das System missbrauchen, beendet.«

Während die sozialstaatlichen Leistungen gestrichen werden, fließen zeitgleich Milliarden in den militärisch-industriellen Komplex: Das Pentagon erhält 150 Milliarden US-Dollar zusätzlich. Damit steigt das Jahresbudget des US-Militärs erstmals über die Billionenmarke. Ein neues Raketenabwehrschild allein, der »Golden Dome of America«, kostet 20 Milliarden US-Dollar.

Großangelegt ist außerdem der Ausbau der Abschottungs- und Repressionsapparate. Die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) erhält 45 Milliarden US-Dollar für den Bau neuer Haftanstalten und weitere 14 Milliarden für Abschiebungen. Zehntausend neue ICE-Beamte, fünftausend Zöllner und dreitausend Grenzschützer sollen bis 2029 eingestellt werden. Die Mittel sollen es ICE ermöglichen, jährlich mindestens eine Million Menschen abzuschieben. Gleichzeitig werden neue Gebühren eingeführt, die es Asylsuchenden erschweren – wenn nicht unmöglich machen –, überhaupt vor Gericht Gehör zu finden.

Haft ohne Anklage, unklare Rechtsgrundlagen, politische Willkür gehören längst zur Tagesordnung des Trump-Regimes. Der Rechtsstaat wird zunehmend zur leeren Hülle, die jederzeit von Exekutivgewalt unterlaufen werden kann. Auch die Justiz wird vom Gesetzentwurf nicht verschont: Eine Klausel untersagt es Bundesgerichten, einstweilige Verfügungen oder Zwangsmaßnahmen bei Missachtung des Gerichts durchzusetzen. Erwin Chemerinsky, Dekan der juristischen Fakultät der University of California in Berkeley, warnte jüngst auf dem Portal »Just Security«, dass gerichtliche Anordnungen ohne die Möglichkeit zur Durchsetzung faktisch wirkungslos seien und einfach ignoriert werden könnten. »Das kann nur als Versuch verstanden werden, die Trump-Regierung vor Konsequenzen bei verfassungswidrigem oder rechtswidrigem Verhalten zu schützen. Der Kongress sollte diesen Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit entschieden zurückweisen«, mahnte Chemerinsky.

Auch Migranten mit Aufenthaltstitel sind nicht mehr sicher. Laut dem Cato-Institut wurden bislang mindestens 50 venezolanische Männer, die legal in die USA eingereist waren, in das berüchtigte Cecot-Gefängnis in El Salvador abgeschoben. Die Gründe dafür waren in mehreren Fällen Tattoos, die von den Behörden pauschal als »gang-affin« interpretiert wurden.

Diese Umverteilung von unten nach oben ist kein Kollateralschaden, sondern systemimmanent. Der Staat legt endlich seine Maske ab und zeigt sich als das, was er ist: ein Instrument der herrschenden Klasse. Der Trump-Haushalt verfolgt dabei die doppelte Strategie, einerseits Migranten durch ökonomische Entsicherung gezielt zu entrechten und andererseits das Proletariat durch Hetzkampagnen gegen »illegale Einwanderung« gegeneinander aufzustacheln.

Hinzu kommt der strukturelle Ausschluss vom gesellschaftlichen Wohlstand. Migrantische Arbeiter erhielten laut einem Bericht des Bureau of Labor Statistics 2024 im Schnitt 16 Prozent weniger Lohn als ihre US-amerikanischen Kollegen, wobei es sich bei Männern sogar um knapp 25 Prozent handelt. Dahinter stecken die schlecht bezahlten Sektoren wie Bau, Reinigung oder Transport, in denen Migranten häufiger arbeiten. Die Ungleichheit ist keine statistische Randnotiz, sondern Ausdruck kapitalistischer Verwertungslogik. Migrantische Arbeitskraft wird systematisch unter Preis gedrückt, während gleichzeitig der »native-born working class« ein »Feindbild« präsentiert wird, das soziale Konflikte individualisiert und rassistisch auflädt. Wer über ökonomische Unsicherheit klagt, soll nicht über Kapital und Lohnarbeit nachdenken, sondern über Ausländer.

Die derzeitige Migrationspolitik in den USA ist ein Angriff auf das Prinzip der Solidarität selbst. Einmal mehr wird das Proletariat entlang ethnischer und nationaler Linien gespalten, während die kapitalistische Ausbeutung intensiviert wird.

Alex Favalli ist freier Journalist und schreibt regelmäßig für die ­Tageszeitung junge Welt über innenpolitische Entwicklungen in den USA

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