Law and Order
Von Felix Bartels
Eier werfen, Eier zeigen. So der Titel des Schmierstücks, das sich derzeit nahe Hollywood ereignet. Trump, bester Darsteller seiner selbst, probt seine Lieblingsszene: Mann am Hebel. Am Freitag war es in L. A. nach unverhältnismäßig harten Razzien der Einwanderungsbehörde zu Protesten gekommen. Anwohner warfen Eier, Beamte Blendgranaten und Tränengas. Die Bürgermeisterin sprach von »Terror in unseren Gemeinden«, sie meinte die Einsatzkräfte. Tags drauf wurden friedliche Demonstrationen in der Innenstadt zerschlagen. Am Sonnabend befahl Trump den Einsatz der Nationalgarde, am Sonntag verdoppelte er die Truppen.
Parallel wird Gouverneur Gavin Newsom bebattelt. Den stört der Eingriff in bundesstaatliche Angelegenheiten. Trump hält seine mögliche Festnahme für eine »großartige Sache« und gibt ihm den Namen »Newscum«, passenderweise auf der eigenen Mülldeponie Truth Social. Der übliche Streit partikularer und zentraler Gewalt? Nun ja: nun nicht. Einheiten der Nationalgarde unterstehen regulär den Bundesstaaten, in denen sie stationiert sind. Title 10 des Code of Law erlaubt die Kontrolle durch den Präsidenten im Fall drohender Rebellion, was die aktuelle Lage nicht mal im Ansatz hergibt. Der letzte, der es wagte, war Lyndon B. Johnson, 1965 in Alabama, damals noch, um Minderheiten zu schützen. Heute will ein Präsident seine persönliche Rebellion durchsetzen, die Nationalgarde zum Werkzeug einer am Gesetz vorbei realisierten Agenda machen.
Trumps Migrationspolitik ist nicht pragmatisch, beträchtliche Teile von Produktion und Dienstleistung beruhen auf der billigen Arbeit nicht anerkannter Einwanderer. Es geht um Ideologie. Genauer den durch Armut, Konkurrenz und global bedingte Deindustrialisierung gewachsenen Frust vornehmlich autochthoner Schichten auf ein konvenientes Feindbild umzuleiten. Das harte Durchgreifen ist Teil dieses Programms. Mit dem Einsatz der Garde erhöht man den Spieleinsatz, das gestiftete Chaos dient den MAGA-Leuten sogleich als Rechtfertigung. Da sehe man doch, wie bitter nötig ein Krieg gegen die Migranten sei. So repräsentiert Trump allenfalls formal die Zentralgewalt. Autokratisches Regieren viel eher, soweit es innerhalb demokratischer Verfassungsform machbar ist. Gesetzlich gesteckte Grenzen müssen beständig getestet werden: Wie weit lassen sie mich gehen? Das Immunitätsurteil des Supreme Court zudem hat den Spielraum um einiges geweitet.
Verdeckt wird das durch die griffige Formel von »Law and Order«, auch diesmal, natürlich, von Trump bemüht. Die Exekutive tut gerade, was sie Migranten vorwirft, Gesetze brechen. Wobei das Gesetz nicht als legaler Handlungsrahmen begriffen wird, sondern als Naturrecht, das ihr, die schon weiß, was gut ist, zustehe. In dieser Konstellation ist der Staat nicht mehr souverän, seine Gewalten werden zu Rackets. Wie die Mafia, die Minutemen oder die Umkleide im Golfclub.
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Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (11. Juni 2025 um 11:04 Uhr)Der US-amerikanische Marxist und Aktivist Joel Geier hatte dazu bereits Mitte März die Hintergründe analysiert und auf der Seite von marx21 veröffentlicht: Es geht laut ihm m. E. n. sehr gut begründet bei diesem ganzen Anti-Woke-Wahn, der für die US-Wirtschaft eigentlich schädlichen, kriminellen Aktionen gegen Migranten und dem Schüren von Hass gegen Ausländer all dieser MAGA-Faschos um die langfristige Vorbereitung eines Weltkrieges gegen China, abgesegnet und unterstützt von der immer panischer agierenden US-amerikanischen Kapitalistenklasse, deren globale Vormachtstellung immer stärker bedroht wird. Na ja, und diese »unsere« Herrscher, die Schmarotzer der Arbeitenden, haben sich noch nie ans Recht, selbstverständlich auch nicht an ihre eigenen Gesetze gehalten, wenn sie ihren Vermögenszuwachs bedroht sahen. Zitat: »Auch die Einwanderung spielt eine Rolle. Wenn man in den Krieg zieht, braucht man sichere Grenzen. Man kann nicht zulassen, dass jemand einfach über die Grenze kommt. Es gibt auch daher den Versuch, patriotische, fremdenfeindliche und chauvinistische Gefühle in der Bevölkerung zu wecken – dass wir alle vereint und nicht durch Vielfalt getrennt sind. ›Wir alle gemeinsam gegen den Rest der Welt.‹«
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