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Aus: Ausgabe vom 31.12.2025, Seite 6 / Ausland
Gazakrieg

»Wörterbuch des Kampfes«

Palästina: Hamas bestätigt Tötung Abu Obeidas und veröffentlicht Positionspapier zum »7. Oktober«
Von Mathias Dehne
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Mit seiner Schlagfertigkeit und typischen Gestik war Huthaifa Al-Kahlut lange die öffentliche Stimme der Hamas (Amman, 15.3.2024)

Seine Eloquenz brachte ihm den Spitznamen »Wörterbuch des Kampfes« ein. Huthaifa Al-Kahlut, bekannt unter dem Kampfnamen Abu Obeida, wurde als charismatischer Redner in der arabischen Welt verehrt. Für die psychologische Kriegführung der Hamas war Abu Obeida eine zentrale Figur. Zur Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Schalit im Jahr 2006 hatte er seinen ersten prominenten Auftritt. Sein letzter war eine im Juli dieses Jahres ausgestrahlte Rede, in der er die arabischen Länder der Komplizenschaft am Völkermord in Gaza bezichtigte.

Für Montag nachmittag um 15 Uhr Mitteleuropäischer Zeit hatten die Kassam-Brigaden eine Stellungnahme angekündigt. Wie der jordanische Sender Roya News berichtete, hatten zahllose Fotos in hamasnahen Telegram-Kanälen vorab auf einen Zusammenhang mit Abu Obeida hingedeutet. Bereits die ersten Sekunden der auf Al-Dschasira ausgestrahlten Ansprache ließen den Beginn einer neuen Ära erkennen: Kampfanzug in Tarnfleck, rot-weiße Kufija und Stirnband – gleiches Erscheinungsbild und zudem ebenfalls der Kampfname Abu Obeida. Doch die Stimme und der Blick, der durch die Kufija hervorblitzte, waren andere: »Da wir nun vor Ihnen stehen, können wir nicht anders, als in Ehrfurcht und Respekt vor demjenigen zu verharren, der diesen Status innehatte. Dem Maskierten, den Millionen liebten und dessen Auftritte sie leidenschaftlich erwarteten. Sie sahen in ihm eine Quelle der Inspiration und in seiner roten Kufija ein Symbol für alle freien Menschen dieser Welt. Dem Märtyrer und großen Anführer, dem Sprecher der Kassam-Brigaden, Abu Obeida.«

Bestätigt wurden damit von israelischer Seite lancierte Gerüchte, wonach der Vierzigjährige bei einem Luftangriff auf ein Wohnhaus in Nordgaza am 30. August durch die israelische Besatzungsarmee getötet worden sei. Im Zuge der Ansprache wurden erstmalig die wahre Identität und zahlreiche Fotos von Abu Obeida ohne Kufija preisgegeben. Zudem wurde der Tod von vier weiteren Kommandeuren der Kassam-Brigaden offiziell bestätigt: von Hakam Al-Issa, Raed Saad, Mohammed Schabana und Mohammed Sinwar.

Die Worte des »neuen« Abu Obeida fügten sich in eine Reihe programmatischer Verlautbarungen der Hamas zum Jahresende ein. Am 24. Dezember hatte die Hamas ein 42seitiges Manifest mit dem Titel »Unser Narrativ … Al-Aksa-Flut: Zwei Jahre Standhaftigkeit und Befreiungswille« veröffentlicht. Es handelt sich um die zweite Einordnung ihres am 7. Oktober 2023 gestarteten Angriffs auf Israel. Unter Bezugnahme auf die 17 Jahre andauernde Blockade gegen Gaza schreibt die Hamas zu Beginn, dass es nur »eine Frage der Zeit« gewesen sei, »bis die Menschen in Gaza gegen die ›Wände des Tankes klopfen‹« würden. Die Metapher aus dem Roman »Männer in der Sonne« von Ghassan Kanafani (1936–1972) bringt die Weigerung zum Ausdruck, den lautlosen Tod im größten Freiluftgefängnis der Welt zu akzeptieren.

Folglich sei der 7. Oktober laut Hamas das natürliche Ergebnis der anhaltenden Besetzung und Vertreibung seit 1948 gewesen, die unter der faschistischen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu ihren Höhepunkt erreicht habe. Entscheidend dürfte neben der erneuten Zurückweisung von Vorwürfen sexueller Übergriffe auch die Forderung sein, dass Israel eine unabhängige Überprüfung ziviler Todesopfer des 7. Oktober zulassen solle. Dem liegt der Vorwurf zugrunde, dass Israel damals von der sogenannten Hannibal-Direktive Gebrauch gemacht habe und entsprechend selbst für die Tötung israelischer Zivilisten verantwortlich sei, um Gefangennahmen zu verhindern.

»Wären Attentate ein Erfolg, hätte der Widerstand gegen die Besatzung mit der Ermordung von Scheich Izz Al-Din Al-Kassam vor 90 Jahren in Dschenin ein Ende gefunden«, sagte Abu Obeida im Oktober 2024. Al-Kassam – Namensgeber der Kassam-Brigaden – war Widerstandskämpfer und entschiedener Kritiker der palästinensischen Bourgeoisie. Diese Aussage Abu Obeidas unterstreicht eine zentrale Botschaft des Manifests: Auch die Tötung führender Mitglieder wird den Widerstand nicht brechen.

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