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Aus: Ausgabe vom 31.12.2025, Seite 7 / Ausland
Venezuela

Erstmals auf venezolanischem Boden

Trump spricht von Angriff auf Verladestelle von Drogenschmugglern. Bisher keine Bestätigung durch US-Behörden oder Caracas
Von Volker Hermsdorf
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Bereit zum Angriff: Flugzeug der US-Luftwaffe in Aguadilla (Puerto Rico, 28.12.2025)

Die Drohkulisse Washingtons gegenüber Venezuela hat zum Jahresende eine neue Stufe erreicht. Nach monatelanger militärischer Aufrüstung in der Karibik meldeten US-Medien unter Berufung auf »anonyme Quellen« nun den ersten bekannten direkten Angriff auf venezolanisches Festland. US-Präsident Donald Trump sprach öffentlich von einer US-Operation gegen eine »Hafenanlage« und erklärte: »Wir haben das Gebiet getroffen. Es existiert nicht mehr.« Konkrete Angaben zu Ort, Zeitpunkt oder Verantwortlichen verweigerte er jedoch. Während der angebliche Angriff bis Dienstag vormittag weder von US-Behörden noch von der venezolanischen Regierung bestätigt wurde, setzte das US-Militär – trotz zunehmender internationaler Kritik – seine tödlichen Attacken auf zivile Boote in der Region fort.

Ausgangspunkt der Anfang der Woche veröffentlichten Berichte war ein CNN-Artikel, der sich auf anonyme US-Quellen stützte. Danach habe die CIA mittels einer Drohne einen »abgelegenen Kai an der venezolanischen Küste« bombardiert, der angeblich von der Bande Tren de Aragua für Drogentransporte genutzt worden sei. Die New York Times griff die Darstellung auf und sprach von einer »neuen Phase der US-Druckkampagne gegen die Regierung von Nicolás Maduro«. Trump selbst erklärte, als er vor einem Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu dem mutmaßlichen Angriff befragt wurde, es habe eine »große Explosion in einem Hafenbereich« in Venezuela gegeben, an einem Ort, an dem »Boote mit Drogen beladen« worden seien. Wo sich dieser Ort genau befinden soll, ließ er offen. Medien berichteten daraufhin, US-Streitkräfte hätten auf venezolanischem Territorium operiert. Doch weder CIA, Pentagon noch Weißes Haus bestätigten den Angriff offiziell. Auch aus Venezuela gab es keine Stellungnahme, die einen solchen Vorfall belegt hätte. Analysten, die offene Quellen auswerten, meldeten ebenfalls, dass sich bisher keine Hinweise auf Explosionen oder Zerstörungen an der Küste finden ließen.

Zwischenzeitlich richteten sich die Spekulationen auf Maracaibo im Bundesstaat Zulia. Das dort ansässige Chemieunternehmen Primazol dementierte jedoch kategorisch einen US-Angriff auf seine Anlagen, nachdem dort am 24. Dezember ein Brand ausgebrochen war. In sozialen Medien wurden Trumps Aussagen von einigen Beobachtern so interpretiert, dass das US-Militär für den Vorfall verantwortlich sei. Das Unternehmen erklärte jedoch, der Brand sei auf einen elektrischen Defekt zurückzuführen und umgehend unter Kontrolle gebracht worden. Gerüchte über eine militärische Operation wiesen die Verantwortlichen als definitiv falsch zurück.

Während der angebliche Landangriff ungeklärt bleibt, ist die mörderische Realität auf hoher See unbestritten. Am Montag töteten US-Soldaten erneut zwei Menschen beim Beschuss eines zivilen Bootes im östlichen Pazifik. Es war seit Anfang September der 30. gemeldete Angriff dieser Art. Mindestens 107 Menschen fielen bislang den Attacken zum Opfer. Washington rechtfertigt die Einsätze mit der Bekämpfung des Drogenhandels, legt dafür jedoch keine überprüfbaren Belege vor. Völkerrechtsexperten und sogar Mitglieder des US-Kongresses verurteilen die Angriffe als außergerichtliche Hinrichtungen und mögliche Kriegsverbrechen. Dennoch haben die USA ihre militärische Präsenz in der Karibik drastisch verstärkt, eine teilweise Blockade venezolanischer Öltanker verhängt und mehrere Schiffe beschlagnahmt. UN-Experten bewerten auch diese Maßnahmen als illegale Anwendung von Gewalt.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro reagierte bislang mit demonstrativer Zurückhaltung. In einer Ansprache lobte er am Wochenende die »strategische Geduld, Intelligenz und Weisheit« der Bolivarianischen Streitkräfte angesichts der seit 27 Wochen anhaltenden Bedrohung »durch Goliath«. Innenminister Diosdado Cabello prangerte hingegen das »mitwissende Schweigen« der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft angesichts der fortgesetzten Verletzungen des Völkerrechts an.

Auch wenn es derzeit keine Bestätigung für einen ersten US-Angriff auf venezolanischem Boden gibt, prägen die fortschreitende Militarisierung der US-Politik in der Region und die Eskalation im Schattenkrieg gegen Venezuela – begleitet von tödlicher Gewalt gegen zivile Bootsbesatzungen und weitgehendem internationalem Wegsehen – den Jahreswechsel in Lateinamerika und in der Karibik.

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