Lasst sie knallen!
Von Nick Brauns
Es gibt viele gute Gründe gegen das Böllern an Silvester: die zahlreichen Verletzungen, die Verpestung der Luft, das Leiden von Tieren, das sinnlos verbrannte Geld … Alles nachvollziehbar.
Doch in einem urbanen linksliberalen Milieu dient der Ruf nach einem Böllerverbot vor allem der Vergewisserung der eigenen moralischen Überlegenheit über ein vermeintlich hemmungslos knallendes Prekariat. Und längst ist dieser an sich schon klassistische Diskurs in eine offen rassistische Migrationsdebatte gemündet – erinnert sei an die Abfrage von Vornamen der in der Silvesternacht Festgenommenen durch die AfD. Stets gefolgt vom Ruf nach Gesetzesverschärfungen. Es ist kein Zufall, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt just zwei Tage vor Silvester härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten angekündigt hat.
Wer nach einem Böllerverbot ruft, fordert auch dessen Durchsetzung. Durch die Polizei. Die damit einhergehende Kriminalisierung betrifft strukturell vor allem ärmere, häufig migrantische Menschen. Denn Böllerverbotszonen befinden sich in der Regel nicht in den bürgerlichen Wohnvierteln oder Vororten, wo das Feuerwerk im eigenen Garten zelebriert werden kann, sondern in Arbeiterquartieren, sogenannten Glasscherben- und Problemkiezen sowie an zentralen innerstädtischen Plätzen als Treffpunkten einer anderswo vielfach ausgegrenzten migrantischen Jugend. Zu Auseinandersetzungen kam es in vergangenen Silvesternächten insbesondere rund um die Neuköllner Sonnenallee. Also dort, wo die Polizei das Jahr über als regelrechte Besatzungsmacht Solidaritätsbekundungen der großen im Bezirk lebenden arabischen Diaspora mit Palästina unterdrückt.
Wenn alljährlich um Silvester selbstgerechte Linksliberale, rassistische Vornamenabfrager und Polizei-»Gewerkschafter« den Schulterschluss proben, sollten klassenorientierte Linke daher wissen, wo ihre Seite ist.
Natürlich ist das einmalige Dampfablassen, die Regelübertretung, die symbolische Kontrollübernahme über die Straße kein Ersatz für den organisierten Kiez- und Klassenkampf. Doch wer hier zu Silvester mit dem moralischen Zeigefinger an der einen und dem Polizeiknüppel in der anderen Hand winkt, der wird dafür niemals Gehör finden.
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