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Aus: Ausgabe vom 29.12.2025, Seite 6 / Ausland
Albanien

Hochkarätige Korruption

In Albanien weitet sich ein Skandal um Bestechlichkeit und Vetternwirtschaft aus
Von Roland Zschächner
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Die Wut ist groß: Protest in Albaniens Hauptstadt Tirana (22.12.2025)

Es stinkt in Albanien, doch der Kopf bleibt vorerst verschont: Die Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption und organisierte Kriminalität (SKK) kommen dem amtierenden Premierminister Edi Rama immer näher. In der vergangenen Woche sind Tausende Menschen in der Hauptstadt Tirana auf die Straße gegangen. Sie zogen vor den Sitz von Rama, warfen Brandsätze, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Hintergrund sind unter anderem Ermittlungen gegen Belinda Balluku. Sie ist wie Rama Mitglied der mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialistischen Partei und zudem stellvertretende Premierministerin sowie Ministerin für Infrastruktur und Energie. Im November hatte ein für Korruption zuständiges Gericht ihre Absetzung angeordnet, zudem wurde ihr untersagt, das Land zu verlassen. Das konnten die Sozialisten nicht hinnehmen und übten Druck auf die Justiz aus. Mitte Dezember widerrief das Verfassungsgericht vorerst die Entscheidung der unteren Instanz. Im Januar soll nun ein endgültiges Urteil gefällt werden.

Rama, der sein Land gern als vorbildlich im Kampf gegen Korruption hinstellt, sperrte sich gegen die Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft. So versuchen seine Sozialisten, zu verhindern, dass die Immunität Ballukus aufgehoben wird. Eine dafür von der oppositionellen Demokratischen Partei angesetzte Sitzung eines Parlamentsausschusses wurde schlicht dadurch verhindert, dass der dafür vorgesehene Raum verschlossen blieb. Die SKK wirft Balluku mehrere erhebliche Verstöße bei der Vergabe von Aufträgen vor. Dabei geht es um Millionen Euro teure Bauprojekte, bei denen es zu Vetternwirtschaft und Korruption gekommen sein soll. Dazu gehört unter anderem der Llogara-Tunnel. Die Kosten für das rund sechs Kilometer lange Bauwerk zur besseren Anbindung der albanischen Adriaküste belaufen sich auf rund 190 Millionen Euro. Ein anderes Projekt ist die Ringstraße um Tirana. Balluku hat die Vorwürfe gegen sie zurückgewiesen und als »Andeutungen«, »Halbwahrheiten« und »Lügen« bezeichnet.

Doch es ist nicht nur der Fall Balluku, der die Menschen auf die Straße treibt. Die SKK ermittelt auch gegen Offizielle der albanischen Agentur für die Informationsgesellschaft. Sie ist für die Digitalisierung des Landes zuständig, unter anderem für das Portal »e-Albania«, worüber Bürger Verwaltungsangelegenheiten regeln können. Hier soll die Vergabe von Aufträgen manipuliert worden sein. Die Chefin der Behörde wurde ebenso wie ihr Stellvertreter in Hausarrest gesteckt. Wie hoch der Schaden ist, den die Staatskasse erlitten hat, ist bisher nicht beziffert.

Korruption gehört seit dem Ende des Sozialismus zum Kern der kapitalistischen Produktionsweise in den Ländern der europäischen Peripherie – nicht als Abweichung, sondern als Wesensmerkmal. Dabei dienen der Staat und seine Institutionen als Mittel, um Gelder in die Taschen der Clique an der Macht umzuverteilen. Um zumindest die gravierendsten Auswüchse zu stutzen und ein Minimum an freier Konkurrenz zu ermöglichen, sind in vielen Ländern, meist auf Betreiben der EU hin, Sonderstaatsanwaltschaften und ähnliche Institutionen gegen Korruption geschaffen worden – so auch die SKK in Albanien 2019.

Zugleich beruht ein wesentlicher Teil der albanischen Wirtschaft, genauer gesagt die Bau- und Immobilienbranche, darauf, Gelder aus dubiosen Quellen zu waschen. Offensichtlich wird das an den unzähligen Bauprojekten in Tirana und anderen Großstädten. Dort entstehen Luxusimmobilien, die sich die große Mehrheit der Albaner nicht leisten kann. Zugleich steigen die Mieten. In einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Studie über Geldwäsche im Immobiliensektor heißt es zu diesem politisch geförderten Widerspruch: »Heute gibt es in Albanien mehr Wohnungen als Familien und gleichzeitig eine beträchtliche Zahl von Obdachlosen.«

Von diesen Verhältnissen will auch die Trump-Familie profitieren. Der Immobilienunternehmer Jared Kushner und dessen Ehefrau Ivanka Trump, Tochter des US-Präsidenten, wollen auf der albanischen Insel Sazan für rund 1,4 Milliarden US-Dollar ein Luxusressort errichten. Auch auf dem gegenüberliegenden Festland soll hochpreisig gebaut werden. Passend dafür wurde in der Nähe ein Flughafen errichtet – der Llogara-Tunnel sorgt für eine schnelle Verbindung. Noch gehört Sazan dem Staat. Doch Edi Rama hat bereits angekündigt, den Weg für das Trump-Kushner-Projekt freizumachen – schließlich wolle er Klasse statt Masse in seinem Land.

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