Diplomatische Mühlen mahlen
Von Reinhard Lauterbach
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat am Mittwoch seinen 20-Punkte-Plan für eine Beendigung des Kriegs mit Russland veröffentlicht. Er sieht nach dem, was bisher bekanntgeworden ist, vor, dass die Ukraine und Russland einen gegenseitigen Nichtangriffspakt schließen und die Kriegshandlungen im Donbass entlang der aktuellen Frontlinie eingestellt werden. Gleichzeitig verlangt er aber von Russland, sich bedingungslos aus allen den Teilen der Ukraine zurückzuziehen, die außerhalb der Gebiete Lugansk und Donezk liegen. Weiter soll die ukrainische Armee auch nach einem Friedensschluss 800.000 Soldaten umfassen und damit die – neben Russland – stärkste in Europa bleiben. Die Ukraine will ihren Anspruch auf EU-Mitgliedschaft festschreiben, jedoch atomwaffenfrei bleiben. Von einem NATO-Beitritt ist keine Rede, wohl aber von NATO-ähnlichen »Sicherheitsgarantien«. Laut Axios stehe am Sonntag ein Treffen zwischen Selenskij und US-Präsident Donald Trump an. Das US-Nachrichtenportal beruft sich dabei auf ukrainische Quellen.
Kiews Vorschlag wurde offenbar inzwischen über die USA der russischen Seite zugestellt. Diese ist laut dem Außenministerium dabei, ihn zu »studieren«. Ministeriumssprecherin Marija Sacharowa forderte Washington am Donnerstag auf, sich nicht von der Ukraine oder der EU in seine Verhandlungen mit Russland hereinreden zu lassen. Einer der sensiblen Punkte dürfte dabei die künftige Kontrolle über das auf dem russisch besetzten Ufer des Dnipro liegende AKW Saporischschja werden. Sowohl die Ukraine als auch Russland scheinen bereit zu sein, die USA am künftigen Betrieb der einst größten Atomanlage Europas zu beteiligen.
War ursprünglich bei Trump davon die Rede, die Stromproduktion je zur Hälfte in die Ukraine und nach Russland zu leiten, kursieren jetzt von russischer Seite Vorschläge, mit dem Strom aus dem AKW eine Anlage zur »Schaffung« von Kryptowährungen zu betreiben; dies ist ein besonderes Steckenpferd Trumps. Er will, wie bereits im November die FAZ berichtete, den US-Dollar als Weltwährung mittelfristig durch eine neue Kryptowährung ersetzen und damit alle derzeitigen Dollar-Gläubiger der USA auf ihren Forderungen sitzenlassen. Alle diese Pläne sind jedoch Zukunftsmusik, weil für einen Betrieb des AKW zunächst der Stausee von Kachowka wieder aufgebaut werden muss, damit die Reaktoren gekühlt werden können. Das würde Jahre dauern.
Nach einem Bericht der Moskauer Tageszeitung Kommersant soll Wladimir Putin vergangene Woche gegenüber Geschäftsleuten einen teilweisen Gebietsaustausch für möglich erklärt haben. Eine interessante Nuance dazu liefert das aktuelle Kampfgeschehen. Im Mittelabschnitt der Front stoßen russische Truppen derzeit offenbar von Osten auf Slowjansk vor und haben dort nach eigenen Angaben inzwischen bei der Ortschaft Dronowka den Flusslauf des Siwerskij Donez erreicht. Aus diesem Fluss wird seit Jahrzehnten das Trinkwasser für den Donbass gewonnen, und dieses ist für die Region lebenswichtig. Putin hatte in seinem Fernsehauftritt vergangene Woche dieses Thema angesprochen und gesagt, die Wasserfrage müsse geregelt werden, idealerweise durch die Eroberung von Slowjansk. Aber Russlands Präsident ließ sich eine Hintertür offen: Eine Wiederherstellung der alten – nördlich von Slowjansk abzweigenden – Kanäle nach Donezk würde genauso teuer werden wie ein kompletter Neubau an anderer Stelle. Das eröffnet theoretisch die Möglichkeit, diesen neuen Kanal kurz hinter der Front, aber östlich von Slowjansk, abzweigen zu lassen, also Slowjansk eventuell doch der Ukraine zu überlassen – ohne dass dies allzu offen als Rückfall hinter die Kriegsziele erkennbar wird.
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