Knurrender Magen an Feiertagen
Von Luca von Ludwig
Rund um die Weihnachtsfeiertage geraten im Lande stets die Armen und Ärmsten in den medialen Blick. So fragte dpa am Dienstag mal wieder bei den Tafeln nach, wie die Lage so ist. Vor dem Hintergrund des aktuellen allgemeinen ökonomischen Abstiegs wenig überraschend: Sie ist schlecht. Mittlerweile besteht demnach ein Drittel der »Kunden« der Hilfsorganisation aus Kindern und Jugendlichen.
20 Prozent der Menschen, die sich bei den Tafeln mit gespendetem Essen versorgen müssen, seien dabei über 63 Jahre alt – und etwa 30 Prozent seien minderjährig, sagte Andreas Steppuhn, Vorsitzender der Tafeln, der Nachrichtenagentur: »Vor allem die Anzahl der Kinder ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, was uns Sorge bereitet.« Insbesondere die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten und die hohen Lebensmittelpreise machten den Leuten zu schaffen, so Steppuhn. Dabei kann längst nicht jeder versorgt werden. Bei gut einem Drittel der Ortsverbände gebe es Wartelisten oder Aufnahmestopps.
Stand 2024 hatten die Tafeln 1,5 Millionen »Kunden«, davon waren im Vorjahr noch 28 Prozent Kinder. Nach den neuesten Daten sind also gut eine halbe Million Kinder und Jugendliche auf Lebensmittelspenden angewiesen. Nach aktuellen Zahlen gibt es 974 örtliche Tafeln, die deutliche Mehrheit davon in den Westbundesländern. Spitzenreiter ist Bayern mit 174, Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern mit gerade 29 örtlichen Tafeln.
Die Meldung über den hohen und steigenden Anteil von Kindern unter denjenigen, die Nahrungsmittelhilfen von den Tafeln erhalten, reiht sich ein in mehrere Berichte aus diesem Jahr, die die anhaltend miserable Situation eines erheblichen Teils der Jugend hierzulande herausstellten. Erst im November präsentierten UNICEF Deutschland und das Deutsche Jugendinstitut einen Bericht, demzufolge jede siebte minderjährige Person in der BRD armutsgefährdet ist. Neun Prozent litten unter »erheblicher materieller und sozialer Deprivation«, hatten also keinen Zugang zu gleich mehreren alltäglichen Bedarfsgütern – noch nicht einmal zu ausreichend Nahrung.
Ein Achtel der Kinder ist dabei auf das Bürgergeld angewiesen, sie machen damit ein Drittel aller Menschen im Bezug aus. Diese Leistung ist bekanntlich gemäß ihrem Zweck – dem Aufrechterhalten einer Reserve an Arbeitern bei gleichzeitigem Schüren von existentiellen Abstiegsängsten bei den Beschäftigten – so knapp bemessen, wie es nur irgend möglich ist. Nach einer Erhebung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom Oktober halten es kaum zehn Prozent der Bürgergeldbezieher für möglich, sich gesund zu ernähren. Und die Hälfte der Eltern im Bezug gibt an, zugunsten ihrer Kinder auf Nahrung verzichten zu müssen. »Es ist ein Skandal, dass Millionen Menschen nicht einmal das Nötigste haben«, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen, Joachim Rock, anlässlich der Präsentation der Erhebung.
Ein ganz und gar nicht lustiger Treppenwitz: Die gesteigerte wirtschaftliche Effizienz der Lebensmittelindustrie verschlechtert die Versorgungslage. Erst vor wenigen Tagen schlug zum Beispiel die Tafel Hamburg wegen sinkender Spendenmengen Alarm. Für die rund 40.000 dort versorgten »Kunden« hätten im zurückliegenden Jahr rund 30 Prozent weniger Nahrungsmittel zur Verfügung gestanden, berichtete die »Tagesschau«. Frank Hildebrandt von der Tafel Kiel erklärte wiederum im NDR, dass durch die »zunehmende Digitalisierung« des Einzelhandels die Nachfrage immer treffsicherer geplant werde und daher weniger Lebensmittel zum Spenden übrigblieben. Daher müsse die Akquise nun auch auf die Hersteller anstatt nur die Händler ausgeweitet werden.
Gegenüber dpa freute sich Tafel-Chef Steppuhn zwar über die wachsende Zahl ehrenamtlicher Helfer, die die Tafeln in diesem Jahr verzeichnen konnten. Was in der vorweihnachtlichen Sozialberichtserstattung allerorten jedoch zuverlässig fehlt, ist die Frage, wieso es in einer der (noch) größten Volkswirtschaften des Planeten überhaupt Institutionen wie die Tafeln geben muss.
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