Hessen: Prozess gegen mutmaßliche Spione gestartet
Frankfurt/Main. Drei Männer müssen sich in Hessen vor Gericht verantworten, weil sie im Auftrag eines russischen Geheimdiensts in der BRD einen kriegsversehrten früheren ukrainischen Offizier ausspioniert haben sollen. Am Dienstag hat der Prozess vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt begonnen. Das Ausspähen habe der Vorbereitung der Tötung des Mannes gedient, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft bei Verlesung der Anklage. Einer der Angeklagten, der armenische Staatsangehörige Vardges I., soll den Spionage-Auftrag Anfang Mai 2024 erhalten und dafür die anderen beiden angeheuert haben – einen Ukrainer und einen Russen.
Die mutmaßliche Zielperson soll in der Ukraine für den militärischen Geheimdienst tätig gewesen sein. In die BRD übersiedelte der Mann im Sommer 2023, wie aus einem im September 2024 veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs hervorgeht. In russischen Medien wurde er demnach beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben, indem er an der Tötung gefangener russischer Soldaten mitwirkte. Dies ist der Bundesanwaltschaft zufolge der Grund für die Geheimdienstaktion gegen ihn. In Deutschland wird gegen den Mann ebenfalls ermittelt.
Dieser solle unter einem Vorwand im Juni 2024 zu einem Treffen in einem Café in der Frankfurter Innenstadt gelockt worden sein. Die Angeklagten sollen sich vor Ort bereitgehalten haben, um den Mann zu identifizieren und nähere Informationen über ihn zu gewinnen. Dieser hatte sich jedoch schon zuvor an die deutsche Polizei gewandt, das Treffen kam daher nicht zustande. Am 19. Juni 2024 wurden die drei Angeklagten in Frankfurt festgenommen, seither sitzen sie in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
Die Verteidiger von Vardges I. wiesen die Vorwürfe vor Gericht zurück. Die Beweisführung der Anklage sei lückenhaft, mögliche alternative Abläufe seien nicht untersucht worden. Auch die Identität des mutmaßlichen Auftraggebers sei unklar, Verbindungen zu einem russischen Geheimdienst damit ebenfalls. Der 43jährige sei zudem während der mutmaßlichen Observation zum Rauchen einer Wasserpfeife in eine sogenannte Rooftop-Bar gegangen und habe ausgiebig gechattet. Das entspreche nicht dem professionellen Handeln von Geheimdiensten, sagte einer der Verteidiger. Die Bundesanwaltschaft wirft I. vor, vom Dach aus die Lage beobachtet und fotografiert zu haben. Auch der Verteidiger des ukrainischen Staatsangehörigen Robert A. wies im Namen seines Mandanten den Tatvorwurf zurück. Dieser empfinde es als ehrverletzend, dass ihm vorgeworfen werde, für »den Aggressor« Russland gearbeitet zu haben. Für den Prozess sind zahlreiche weitere Termine bis Ende Mai 2026 angesetzt. (dpa/jW)
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