Ist die Konferenz Beleg für eine neue Spaltung?
Interview: Nico Popp
Am vierten Novemberwochenende haben sich auf Einladung der Kommunistischen Partei Griechenlands Vertreter von 26 kommunistischen Parteien und Organisationen in Athen getroffen. Worum ging es bei der Konferenz?
Anlass der Einladung war der 108. Jahrestag der Oktoberrevolution. Inhaltlich ging es vor diesem Hintergrund um Fragen der Strategie der kommunistischen Parteien. Viele Redebeiträge konzentrierten sich auf politische Probleme der Gegenwart, andere eher auf Erfahrungen im Sozialismus. Vor allem ging es um die Frage, was wir heute unter Imperialismus verstehen und welche Schlussfolgerungen sich daraus für eine revolutionäre Strategie ergeben.
Vertreten waren offenbar durchweg Organisationen, die bei den beiden letzten internationalen Treffen der kommunistischen Parteien 2022 und 2023 die Auffassung vertreten hatten, dass es sich beim Krieg in der Ukraine um einen beiderseits imperialistischen Krieg handelt. Ist die Konferenz also vor allem Beleg für eine Ausdifferenzierung oder auch eine neue Spaltung der kommunistischen Bewegung?
Unsere Einschätzung ist, dass der Krieg in der Ukraine in besonders augenfälliger Weise das Ausmaß der Krise der Bewegung gezeigt hat. Wir können sagen, dass die Strömung, der wir uns zurechnen, alles daran setzt, die Ursachen dieser Krise zu überwinden. Die Konferenz in Athen ist kein Gegenprojekt zu den internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien. Allerdings schätzen wir ein, dass es auf dieser Ebene im Moment eine Stagnation gibt. Seit 2023 hat kein solches Treffen mehr stattgefunden. Das Treffen in Athen war ein Versuch, den Austausch zwischen den Parteien, die sich darüber einig sind, dass sich die Arbeiterklasse in diesem Krieg auf keine Seite stellen darf, zu vertiefen. Vertreter von Parteien, die diese Einschätzung nicht teilen, haben sich im April auf Einladung der KPRF in Moskau getroffen.
Nun heißt es allerdings in der Auswertung der Athener Konferenz durch Ihre Organisation, das Treffen habe »historische Bedeutung« und sei ein »Schritt zum Wiederaufbau der kommunistischen Bewegung«. Das klingt nach ein bisschen mehr als nur nach vertieftem Austausch.
Zu dieser Einschätzung sind wir vor allem unter dem Eindruck der konstruktiven Stimmung auf der Konferenz gelangt. Es gab eine große Bereitschaft zur Diskussion und ein Ringen darum, die richtigen Standpunkte zu finden. Das ist offenkundig bei den internationalen Treffen zuletzt schwierig geworden, denn dort fehlte zumindest bei einigen Parteien nach unserem Kenntnisstand die Bereitschaft, über politische Grundsatzfragen – und dazu gehört die Frage der Parteinahme für einen kriegführenden bürgerlichen Staat – überhaupt zu diskutieren. In Athen konnte alles auf den Tisch gelegt werden, es war eine Atmosphäre der offenen und ehrlichen Diskussion auf der Grundlage inhaltlicher Einigkeit in wesentlichen Punkten.
Woran macht sich diese Stimmung inhaltlich fest?
Vor allem daran, dass sich hier wieder eine große Klarheit über die Notwendigkeit einer Strategie des Kampfes um den Sozialismus abzeichnet. Damit ist natürlich nicht gemeint, mit der Parole »Sozialismus morgen« anzutreten, sondern die Politik der einzelnen Parteien auf den Kampf um den Sozialismus auszurichten – und nicht auf den Kampf um irgendwelche Zwischenetappen. Verbunden damit ist ein Imperialismusbegriff, der klar festhält: Die kapitalistischen Staaten konkurrieren um Profite, um Einflussgebiete und Ressourcen. Diese Konkurrenz trägt Krisen und Kriege in sich. Aber keiner dieser Staaten kämpft für die Arbeiter oder Völker.
Ist nun an ein dauerhaftes jährliches Format gedacht, bei dem man gleichsam unter sich bleibt?
Es gab dahingehend keinen Beschluss. Ich weiß nicht, wie die Planungen bei den griechischen Genossen oder bei anderen Parteien, die in der Lage sind, solche Treffen auszurichten, aussehen. Unser Ziel ist jedenfalls, in einem viel breiteren Maßstab wieder in der internationalen kommunistischen Bewegung um die richtige Politik zu ringen. Das ist auch unser Ansatz in Deutschland, wo wir versuchen, Formate des Austauschs und der Diskussion über die richtige Politik zu schaffen.
Jakob Schulze ist aktiv in der Kommunistischen Partei (KP)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz Schoierer (15. Dezember 2025 um 11:08 Uhr)»Das Treffen in Athen war ein Versuch, den Austausch zwischen den Parteien, die sich darüber einig sind, dass sich die Arbeiterklasse in diesem Krieg auf keine Seite stellen darf, zu vertiefen.« Die Kommunistische Partei – eine Abspaltung von der Kommunistischen Organisation – übt sich hier in bequemer Äquidistanz zu Russland. Alles imperialistisch, so die oberflächliche These. Womit die KP ihre Unfähigkeit zu differenzieren eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Da sollten sie sich ein Beispiel an der Arbeiterklasse Nordkoreas nehmen, die sich solidarisch zu Russland verhält, mit allen Konsequenzen. Aber selbst zu einer Solidarität, für die man noch lange nicht Leib und Leben riskiert, reicht es für die angeblichen Sprecher der Arbeiterklasse nicht. Die Imperialisten freuts.
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Leserbrief von Mitter Albert aus Gmunden (14. Dezember 2025 um 21:46 Uhr)Ausgerechnet jene, die sich als die wahren Vertreter des Marxismus-Leninismus (was deren unwissenschaftliche, dogmatische Auslegung bedingt) selbst verstehen, kommen mit einem Begriff von Imperialismus, bei dem sich Lenin nur wundern würde. Nicht das höchste Stadium des Kapitalismus soll er sein, sondern auch für ein Entwicklungsland wie die VR China gelten. Schon allein daher liegt der Unsinn auf der Hand. Wer den Marxismus (und Leninismus) nicht als wissenschaftliche Weltanschauung, sondern als Ersatzreligion, die unveränderliche »Wahrheiten« verkündet »versteht«, verschließt sich neuen Erkenntnissen, Veränderung und Entwicklungen. Ist unfähig zu erkennen, dass das traditionelle Modell des Sozialismus entsprechend den Gesetzen des historischen Materialismus gescheitert ist. Dass nämlich Produktionsverhältnisse sich ändern, wenn die alten in Widerspruch zu der Entwicklung der Produktivkräfte gekommen ist. Dass das jetzt mit den kapitalistischen noch nicht der Fall ist, kann wohl niemand leugnen. Die Wiederzulassung kapitalistischer Produktionsverhältnisse in China, Vietnam, Laos, zögerlich auch in Kuba ist alternativlos für das Überleben der sozialistischen Macht in diesen Staaten. Wer das als kapitalistisch und gar imperialistisch denunziert, verweigert sich schlicht der Wahrheit, dem grundlegenden Unterschied in der Politik der VR China oder auch der SR Vietnam nach außen wie nach innen zu der wirklich kapitalistischer und imperialistischer Staaten. Nach innen eine Politik der ständigen Verbesserung der Lebensverhältnisse der ganzen Bevölkerung, nicht einer Minderheit, dass also die kapitalistische Produktionsweise eben nicht zum Nachteil, zu Verschlechterungen für die Arbeitenden führt, und nach außen eine Politik gleichberechtigter Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil und Respekts im gegenseitigen Interesse. Also gegen jeden Imperialismus. Weswegen die VR China besonders im Fadenkreuz des wirklichen Imperialismus ist.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim Seider aus Berlin (15. Dezember 2025 um 13:50 Uhr)An dieser Argumentation mag vieles richtig sein. Aber war nicht die eigentliche Lehre nach 1933, dass wir bei Strafe unseres Untergangs lernen müssen zusammenzufinden, statt uns in gegenseitiger Rechthaberei soweit zu vereinzeln, bis wir nur noch machtlose Kleingrüppchen sind? Wir brauchen mehr Aktionseinheit statt endloser Streitereien. Die Geschichte wird uns eine nochmalige Niederlage niemals verzeihen. Sangen wir nicht einst »Brüder in eins nun die Hände« statt »Bruder, nur ich habe recht«?
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