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Aus: Ausgabe vom 11.12.2025, Seite 9 / Schwerpunkt
Honduras

Kampf der Landarbeiter

Honduras: Die Besiedlung ungenutzter Brachflächen durch mittellose Kleinbauern ist von den Oligarchen nicht erwünscht
Von Thorben Austen, La Lima
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Immer wieder sehen sich die Bewohner des Tals Angriffen ausgesetzt, teils werden ihre Häuser zerstört

Das ist eigentlich eine Erfolgsmeldung für Honduras: Insgesamt 156 ehemals landlose Familien haben in der jüngeren Vergangenheit in den Landkreisen La Lima und San Manuel im Departamento Cortés im landwirtschaftlich-industriell geprägten Valle de Sula an der Karibikküste eine neue Heimat gefunden. Doch zwei Oligarchenfamilien wollen sie wieder vertreiben. Eine von ihnen ist die Familie Rosenthal Oliva. Sie gehört zu den reichsten Oligarchenclans in Honduras. Ihrer Ansicht nach haben sich die Campesinos illegal auf ihrem Privatbesitz niedergelassen. Den Rosenthals gehöre hier das halbe Tal, sagt dazu der Jurist Victor Fernández gegenüber junge Welt. Sie seien in der Fleisch-, Zucker- und Palmölproduktion aktiv. Immer wieder gebe es Versuche, die Kleinbauern zu vertreiben. Doch Räumungsbefehle durch die Polizei konnte Fernández bisher juristisch abwenden. Seit 2017 setze man sich dafür ein, die Landbesiedlung zu legalisieren. »Die juristische Klärung ist noch nicht abgeschlossen. Fakt ist aber: Das Land war unkontrolliert und nicht genutzt. Ob es jetzt Gemeindeland ist oder Land im Besitz der Zentralregierung, ist unklar. Privates Land der Familie Rosenthal ist es aber nicht«, ist sich der Anwalt sicher.

Alternative zur Auswanderung

2015 hatten zunächst 120 ehemals landlose Familien im Kreis San Manuel ein Stück Land besiedelt. Auf 280 Manzanas (ein Manzana sind 7.050 Quadratmeter) haben sie sich ein neues Zuhause geschaffen, die Gemeinde »15 de Septiembre«. Angebaut werden überwiegend Mais, Bohnen und Kochbananen, sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Verkauf. Das allein reicht zwar für viele Familien nicht zum Leben, erzählt Adolfo Menjivar, der Präsident der Genossenschaft, in der sich die Anwohner organisiert haben, im Gespräch mit jW. Menjivar und weitere Mitglieder des Vorstands von »15 de Septiembre« sind vergangenen Donnerstag in die Gemeinde »Campesinos en Acción« im Nachbarlandkreis La Lima gekommen, um sich mit der dortigen Genossenschaft und dem gemeinsamen Rechtsbeistand Fernández auszutauschen.

Die kleinbäuerliche Produktion sei aber auch wichtig für die Ernährung in ganz Honduras, führt Menjivar weiter aus: »Die reichen Familien produzieren für den Export, wir für den Konsum im Land.« Viele müssten zwar noch nebenbei arbeiten, als »Mechaniker in Nähfabriken oder auch als Lehrer«, sagt er. Die Situation sei »aber deutlich besser als vorher. Da hatten wir keinen Grundbesitz, waren Vertriebene im eigenen Land, manche Familien hatten nicht mal ein Dach über dem Kopf.« Für sie sei die Besiedlung des Landes die Alternative zur Auswanderung in die USA gewesen.

Nach Ansicht der Bewohner von »15 de Septiembre« setzt der Sicherheitsdienst des Agrarunternehmens der Familie Rosenthal auf Terror. Das letzte halbe Jahr habe sich die Situation verschärft, sagt Iridian Miranda aus dem Vorstand der Genossenschaft gegenüber jW. Im April dieses Jahres zerstörten Vermummte ein erstes Haus, bald darauf wurde ein Bewohner von Unbekannten angeschossen. Im Juni und vergangenen Monat kam es zu weiteren Vorfällen, sagt Miranda. Das Muster sei immer ähnlich: Vermummte und Bewaffnete kämen in die Gemeinde, zerstörten Häuser mit Bulldozern, drohten mit Schusswaffen, es gebe auch telefonische Drohungen. Die Polizei komme zwar manchmal, unternehme aber wenig, meint Miranda. Genossenschaftsmitglieder von »Campesinos en Acción« erzählen ähnliches: Übergriffe, Zerstörung von Eigentum, Räumungsdrohungen. Auch hier soll die Familie Rosenthal dahinterstecken, zusammen mit der Großgrundbesitzerfamilie Facussé Barjum.

Sumpf der Korruption

Besorgt sind die Landarbeiter über den Ausgang der zum Zeitpunkt des Gespräches noch bevorstehenden Wahlen von Ende November. Im Vorfeld lieferten sich die beiden konservativen Kandidaten Nasry Asfura von der Nationalen Partei und Salvador Nasralla von der Liberalen Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Insbesondere befürchten die Arbeiter einen Wahlsieg von Nasralla: »Die Liberale Partei gehört den Familien Rosenthal und Facussé. Deren Einfluss würde mit einem Machtantritt Nasrallas weiter steigen«, erklärte José Alvin Robles, Lehrer und Präsident von »Campesinos en Acción«, gegenüber jW. Tatsächlich war schon der 2019 verstorbene Vater Jaime Rolando Rosenthal hohes Mitglied der Liberalen Partei, dessen Sohn, das aktuelle Familienoberhaupt Yani Rosenthal, war bis Mai 2025 Vorsitzender der Partei.

Ausgerechnet in der Regierungszeit des rechten Präsidenten Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei kam die Familie in Schwierigkeiten. 2015 wurde Yankel Rosenthal, Cousin von Yani, bei der Einreise in die USA verhaftet. Der Vorwurf: Die im Familienbesitz befindliche Banco Continental sei in Geldwäsche und Drogenhandel verstrickt. Im Visier der Ermittlungen auch Yani und Vater Jaime Rosenthal. Yani Rosenthal bekannte sich 2017 der Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogenhandel für schuldig. Er saß in den USA eine dreijährige Haftstrafe ab und kehrte 2020 nach San Pedro Sula zurück.

Doch die Oligarchenfamilien sind nicht nur mit rechten Parteien verbunden. Spuren führen auch zur Partei Libre. Die linke Formation hat mit Präsidentin Xiomara Castro Honduras seit 2021 regiert. Nun hat sie mit der Kandidatin Rixi Moncada die Wahlen verloren. Yani Rosenthal war 2006 und 2007 Sekretär des damaligen Staatspräsidenten Manuel »Mel« Zelaya, im Rang eines Ministers. Vater Jaime Rosenthal war von 2006 bis zum Putsch am 28. Juni 2009 Berater des Präsidenten Zelaya. Dieser war damals Staatschef für die Liberalen, nach dem Putsch 2009 gründete er mit anderen die Partei Libre und ist aktuell deren Generalkoordinator, außerdem Ehemann der scheidenden Präsidentin Castro.

In einem Artikel der Onlineplattform Contracorriente Honduras wurde auch auf geschäftliche Beziehungen zwischen der Familie Castro und der Familie Facussé hingewiesen: »Irene Castro, der verstorbene Vater von Präsidentin Xiomara Castro, war eine Schlüsselfigur in mehreren Unternehmen des Agrarindustrieimperiums von Miguel Facussé Barjum, das für den Landerwerb durch gewaltsame Agrarkonflikte bekannt ist, die bis heute Menschenleben fordern«, hieß es erst im Mai dieses Jahres. »Fakt ist«, kommt Fernández wieder auf die aktuellen Konflikte zu sprechen, »in der Regierungszeit von Castro endete weder die Repression, noch gab es Fortschritte bei den Landbesitztiteln, nicht nur hier, auch in anderen Regionen, in denen wir als Anwaltsbüro tätig sind. Jetzt bleiben der alten Regierung noch zwei Monate« – bevor sie von der neugewählten Rechtsregierung abgelöst wird.

Konkurrenz ausgeschaltet

Angesichts solch verfahrener politischer Konstellationen erwuchs bei den Arbeitern im Valle de Sula das Gefühl, dass niemand ihre Interessen vertrete. »Die Wahlen waren für uns nicht gut, wir wussten nicht, wen wir wählen sollten«, fasst Robles die Situation zusammen. Zu dem Treffen am Donnerstag ist auch Santos David, Generalkoordinator vom Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia (MADJ), nach La Lima gereist. Die 2008 gegründete Organisation kämpft gegen Korruption und Megaprojekte und für Landrechte der Kleinbauern. Sie ist vor allem in der Region an der Karibikküste verankert. »Wichtig wäre bei den nächsten Wahlen 2029 eine Kraft, die uns direkt vertritt.« Die Idee einer eigenen Kandidatur hatte das MADJ schon beim vergangenen Urnengang verfolgt. »In San Pedro Sula sollte Victor (Fer­nández; jW) als Bürgermeister kandidieren, in vier weiteren Landkreisen wollten wir für den Gemeinderat antreten. Alle Kandidaturen wurden aber vom Wahlrat abgelehnt. Offiziell aus formalen Gründen wie angeblich nicht korrekten Unterstützerunterschriften, tatsächlich ging es wohl allen drei Parteien um die Ausschaltung einer Konkurrenz, die wir zumindest regional dargestellt hätten«, erklärt David gegenüber jW.

Die Region ums Valle de Sula ist eine Hochburg der organisierten Arbeiterbewegung in Honduras. Einst hatte hier ein Streik der Arbeiter der Bananenplantagen seinen Ausgang genommen. Am 30. April 1954 begannen Bananenarbeiter unter anderem der US-amerikanischen United Fruit Company einen 69tägigen, am Ende durchaus erfolgreichen Ausstand. »Die United Fruit hatte hier seit den 1930er Jahren ihre Zentrale«, sagt Fernández. Dies brachte eine frühe Entwicklung der Region – asphaltierte Straßen, ein funktionierendes Telefonnetz und einen Eisenbahnanschluss. In den 1990er Jahren verließ der Konzernnachfolger Chiquita wegen Turbulenzen auf dem Weltmarkt die Region, sagt Fernández. Trotzdem ist sie industriell-landwirtschaftlich weiter relativ entwickelt. Neben der exportorientierten Landwirtschaft gibt es viele Maquilas (Bekleidungsfabriken; jW) für den Weltmarkt. Damit ist die Region interessant für Arbeitsmigration innerhalb des Landes. Laut der Volkszählung von 2013 kommen 51,3 Prozent der Einwohner La Limas ursprünglich aus anderen Landesteilen, in San Manuel sind es sogar 59,6 Prozent.

Auf dem Weg nach San Pedro Sula erinnert zunächst der noch intakte Golfplatz, einst von den Funktionären der United Fruit Company für sich angelegt, an die schon etwas entfernte Vergangenheit unter dem US-Konzern. Am Ortsausgang von La Lima zeugt dagegen eine zerstörte und teilweise niedergebrannte Mautstation von den sozialen Kämpfen der jüngeren Vergangenheit. »Bei den Protesten gegen den Wahlbetrug 2017 haben Demonstranten diese Mautstation zerstört und in Brand gesteckt, sie wurde nie wieder in Betrieb genommen. Ein Sieg der Volkskämpfe gegen die Privatisierung unserer Straßen«, freut sich David.

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