Gazaprotest kriminalisiert
Von Dieter Reinisch, Wien
Während Israels Armee im Gazastreifen trotz des Waffenstillstandsabkommens fast täglich Menschen tötet, wird die Kriminalisierung palästinasolidarischer Proteste in Österreich unvermindert fortgesetzt: Am 29. November fand die letzte Palästina-Demonstration dieses Jahres mit bundesweiter Beteiligung in Wien statt. Ein paar tausend Protestierende nahmen daran teil. Auch ein Kamerateam des Boulevardsenders oe24 war anwesend, um von der Auftaktkundgebung am Platz der Menschenrechte zu berichten.
Während der Liveschaltung sprang einer der Wiener Palästina-Aktivisten ins Bild und rief: »From the river to the sea, Palestine will be free.« Der Reporter Dominik Hana stieß ihn weg, und es kam zu einer kurzen Rangelei. Rasch schritt die Polizei ein, und der Aktivist Ahmed H. wurde festgenommen. »Mir persönlich ist nichts passiert, aber die Gemüter laufen bei solchen Demos immer hoch. Ich habe hier nur die Fakten wiedergegeben, offenbar sind wir Medien alle ein Feindbild«, sagte Hana kurz darauf in die Kamera: »Ich musste ihn dann zur Seite stoßen, er hat inakzeptable Dinge von sich gegeben, und ich wollte nur meine Arbeit machen.«
Auch die Staatsanwaltschaft hält das Verhalten von Ahmed H. für inakzeptabel. Denn H. sitzt über eine Woche nach dem Vorfall weiterhin in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Es bestehe »Tatbegehungsgefahr«, wird seine fortgesetzte Haft begründet. Die Tat, die er nochmals begehen könnte: den Slogan »From the river to the sea« öffentlich zu wiederholen. Die Staatsanwaltschaft wirft H. vor, mit dem Ausspruch würde er dem Angriff der Hamas und weiterer militanter palästinensischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 huldigen. Erschwerend komme hinzu, dass er diese »hetzerische Aussage« vor einem »sehr breiten Publikum« getätigt habe – nämlich live im Fernsehen.
Über den Vorfall vor laufender Kamera ist in den Dokumenten der Staatsanwaltschaft, die jW vorliegen, zu lesen, dass H. »am 29. November 2025 in Wien terroristische Straftaten (§ 278c Absatz 1 Ziffer 1 bis 9 oder 10 StGB), nämlich jene der Hamas, (…) öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, in einer Art gutgeheißen« habe, »die geeignet war, die Gefahr der Begehung einer oder mehrerer solcher Straftaten herbeizuführen«. H. wird vorgeworfen, nicht nur terroristische Straftaten gutgeheißen zu haben, sondern sogar zu ihnen angestiftet zu haben, da er in eine TV-Kamera den Satz »From the river to the sea« sagte. Um dies zu verhindern, wurde seine Untersuchungshaft bis zum ersten Gerichtstermin am 8. Januar verlängert. Sein Anwalt legte nach jW-Informationen Beschwerde ein. Verschiedene Verwaltungsgerichte haben in der Vergangenheit mehrfach geurteilt, dass der Spruch nicht rechtswidrig sei.
»Was die Staatsanwaltschaft macht, ist ein Angriff auf alle Palästinenser«, sagte ein palästinensischer Teilnehmer der Demonstration, der den Vorfall beobachtet hatte, zu jW. Mohammed Aborous vom Arabischen Palästina-Club, der am Wochenende zwei Solidaritätskundgebungen vor der Justizanstalt organisierte, sagte im jW-Gespräch: »Ahmed ist ein bekannter Aktivist, der mitten in einer Demonstration verhaftet wurde. Er wird auf der Grundlage einer willkürlichen Interpretation seines Slogans seiner Freiheit beraubt.« Der Fall sei eine weitere Eskalation der Repression gegen die palästinensische Bewegung insgesamt, betonte Aborous.
Wie H. wird auch der aus Gaza stammende Journalist Mustafa Ayyash Anfang Januar vor Gericht erscheinen müssen. Er sitzt seit seiner Auslieferung aus den Niederlanden in Linz im Gefängnis. Am Freitag wurde seine Untersuchungshaft um einen weiteren Monat verlängert. Begründet wird dies mit Fluchtgefahr, da Ayyash nach den Hausdurchsuchungen in seiner Wohnung in Linz im April 2024 das Land verlassen hatte und am 19. September aufgrund eines Europol-Haftbefehls am Flughafen Amsterdam-Schiphol festgenommen wurde.
Ayyash wird Propaganda und Finanzierung der Hamas über sein Medienunternehmen Gaza Now vorgeworfen. Aus Dokumenten, die jW vorliegen, ist ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage auch auf weitere Personen im Umfeld von Ayyash ausweiten möchte.
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