Hans Eiden wird in Trier jetzt ohne Vorbehalte geehrt?
Interview: Nico Popp
In Trier wird an diesem Sonntag um 11 Uhr ein Denkmal für den Kommunisten Hans Eiden eingeweiht – 75 Jahre nach dem Tod des letzten »Lagerältesten« des KZ Buchenwald, der wesentlich zur Rettung tausender Menschenleben beigetragen hat und am 11. April 1945 vom Torgebäude aus die Worte »Kameraden, wir sind frei« ins Lager rief. Eiden wird jetzt auch in seiner Heimatstadt ohne Vorbehalte geehrt?
Ja, das kann man so sagen. Zur Einweihung des Denkmals auf dem Hauptfriedhof haben sich Oberbürgermeister Wolfram Leibe und die ehemalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer angesagt. Die Stadtverwaltung hat das Vorhaben unterstützt. Angeregt hat es Daniel Klasen, der Friedhofsmeister der Stadt Trier, der in alten Unterlagen auf die ungefähre Lage des schon vor langer Zeit aufgelösten Grabes von Hans Eiden gestoßen ist. Umgesetzt hat es eine Arbeitsgruppe aus Herrn Klasen, Aktiven des Arbeitskreises »Trier im Nationalsozialismus« der Arbeitsgemeinschaft Frieden und der Jüdischen Gemeinde Trier. Das Denkmal geschaffen hat der Künstler Toni Schneider.
Das wäre so noch vor einigen Jahrzehnten vermutlich nicht vorstellbar gewesen.
Ja. Eiden war, als er aus Buchenwald zurückgekehrt war, nicht mehr das unbekannte Parteimitglied wie vor 1933, sondern ein prominenter lokaler KPD-Funktionär. Er wurde auf dem ersten Platz der KPD-Liste 1947 in den Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt, ist bei Wahlkämpfen aufgetreten und bei Veranstaltungen der VVN. Als er 1950 starb, hatte der Kalte Krieg begonnen. 1956 kam das KPD-Verbot. Damals sind Trierer Kommunisten, die von den Nazis verfolgt worden waren, sogar Opferrenten und Wiedergutmachungszahlungen aberkannt worden. Interesse an einer Ehrung von Kommunisten gab es damals und in den folgenden Jahrzehnten nicht. Schon gar nicht in Trier.
Wann änderte sich das?
Erst Ende der 80er Jahre ist wieder eine größere Öffentlichkeit in Trier auf Eiden aufmerksam geworden. Da spielte auch die Städtepartnerschaft mit Weimar eine Rolle, wo unter anderem eine Schule nach ihm benannt war. Die hat den Namen nach 1990 übrigens abgelegt. In Trier hat sich das Verhältnis zu Eiden in den 90er Jahren entkrampft. 1993 hat eine Historikerin der Universität Trier den Auftrag bekommen, zum Leben von Eiden zu recherchieren. Man hat da unter anderem festgestellt, dass Eiden bei überlebenden Häftlingen hoch angesehen war. Der Kulturdezernent sagte damals, dass die kommunistische Überzeugung Eidens die »objektive Auseinandersetzung mit seinem Leben erschwert« habe. Seit 1995 gibt es eine kleine Stele in einer Nebenstraße, in der sein Geburtshaus stand. 2014 hat ihn die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem geehrt, und 2020 ist in Trier-Nord, wo Eiden politisch aktiv war, ein Platz nach ihm benannt worden.
Wie ist der Trierer Kommunist Eiden in das KZ Buchenwald gekommen?
Eiden hat sich nach 1933, als er kurz in sogenannter Schutzhaft war, weiter für die KPD betätigt. 1936 gab es einen großen Prozess gegen 36 KPD-Mitglieder aus Trier, der in Hamm stattfand. Eiden bekam drei Jahre Zuchthaus. Die hat er abgesessen und ist dann wenige Monate nach seiner Entlassung 1939 nach Buchenwald verschleppt worden. Seit Ende 1944 war er dort als Lagerältester so etwas wie der Chef der Häftlinge, die innerhalb des Lagers Funktionen ausübten, und musste deren Tätigkeit gegenüber der SS-Kommandantur verantworten. Die KPD hat systematisch versucht, diese für das Überleben aller Häftlinge wichtigen Posten mit eigenen Leuten zu besetzen. Am 11. April 1945 hat Eiden, als er vom bevorstehenden Abzug der SS erfahren hatte, das illegale Lagerkomitee informiert, das dann die Widerstandsgruppen mobilisierte und die zuvor beschafften Waffen verteilte. Eiden war bei der Gruppe, die am Nachmittag das Torgebäude besetzte. Über die Lautsprecheranlage rief er dann: »Kameraden, wir sind frei. Die SS ist geflohen. Haltet Ruhe im Lager, wir geben euch weitere Informationen.«
Er hat dafür gesorgt, dass die gefangengenommenen Angehörigen der Wachmannschaft den US-Truppen übergeben wurden und keine Selbstjustiz stattfand. Ein US-Offizier hat Eiden als Lagerältesten bestätigt. Er hat sich nach der Befreiung vor allem um die Organisation der Versorgung und die Entlassung der Überlebenden in ihre Heimatländer gekümmert. Wenn man die »Schutzhaft« und das Zuchthaus mitzählt, war er rund zehn Jahre inhaftiert.
Er ist dann früh mit 49 Jahren gestorben. An den Folgen der Haft?
Ja, darauf deutet alles hin. Er ist im Trierer Krankenhaus gestorben, als Todesursache wurde Lungentuberkulose angegeben.
Christoph Herrig ist aktiv im Arbeitskreis »Trier im Nationalsozialismus« der AG Frieden e. V.
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