Klassenkrampf
Seit je eigentlich leidet die SPD an motorischen Störungen. Ihr Standbein hält sich für das Spielbein, ihr Spielbein fürs Standbein. Wort und Tat, ein tiefer Riss. Linksflügler mahnen alte Ideale an, als Zentristen getarnten Rechtsflüglern überlässt man die Geschäfte. 2019 nahm Kevin Kühnert das Wort »Enteignung« in den Mund und sah sich in den kommenden Jahren verdammt, seine Geschäftsfähigkeit zu beweisen. Nun ist Bärbel Bas an der Reihe. Auf dem Arbeitgebertag hatte sie vor einem kaum gewogenen Publikum ein wenig rumgeblümt: Die Renten sind sicher. Man lachte, durchaus zu Recht, denn Bas’ subtile Unterscheidung von Beitrags- und Steuergeldern ist unerheblich. Wer da aber lachte, waren keine Fachleute, vielmehr ein ziemlich motiviertes Milieu. Auf dem Bundeskongress der Jusos legte die Ministerin nun nach. Das Wort »Klassenkampf« fiel, mitsamt Bekenntnis, »gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen«.
Das in Minderheitenschutz gut trainierte Feuilleton sprang der besitzenden Klasse bei. Bas sei keine Verdi-Sekretärin, sie »ist Arbeitsministerin – zuständig für Millionen Beschäftigte, die ziemlich froh sind, dass sie überhaupt noch einen Arbeitgeber haben«, kommentiert die Süddeutsche Zeitung. Sozial ist, was Arbeit schafft, oder: Halts Maul, und sei dem Typen, der an dir verdient, dankbar, dass er dich ernährt. »Da fragt man sich (…), ob die SPD eigentlich noch eine Arbeiterpartei ist.« Da fragt man sich, wer sich das heute noch fragt. »Ausgerechnet jetzt«, schließt das Blatt, »zettelt die Arbeitsministerin einen Klassenkampf an.« Jetzt, das meint die Rezession, in der allein Kapital noch Not hat, nicht die Menschen.
Im Cicero formuliert Bas’ Parteigenosse Matthias Brodkorb das Credo seiner Partei: »Wer sich anstrengt, muss dafür belohnt werden; und wer darauf einfach keinen Bock hat, soll bleiben, wo der Pfeffer wächst.« Demnach könnte die SPD noch heute mit der FDP fusionieren. Zusammen schaffen sie vielleicht die fünf Prozent. »Volksparteien benötigen keine geschlossene politische Ideologie«, fasst Brodkorb die geschlossene politische Ideologie seiner SPD zusammen.
Und während im Focus mit »Betonkopf-Bärbel« das klassische Narrativ Kapital = Vernunft, Soziales = Gefühl bedient wird, nennt Markus Lanz in der nach ihm benanntesten TV-Show Bas’ Worte einen »intellektuellen Tiefstflug«, worauf Alexander Schweitzer sie paternalistisch als »emotionale Reaktion« entschuldigt. Ganz einig scheint man sich nicht zu werden, ob Klassenkampf gefürchtet oder verniedlicht werden soll. (fb)
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