Lektionen und heiße Luft
Von Christian Selz
Sie unterstreichen, erkennen an und feiern, dass man immerhin miteinander redet. Auf zehn Seiten und in 49 Punkten haben die Vertreter von Afrikanischer Union (AU) und Europäischer Union auf ihrem siebenten Gipfeltreffen vor allem Gemeinsamkeiten beschworen. Doch auch im 25. Jahr der formellen Partnerschaft kam dabei am Montag und Dienstag in der angolanischen Hauptstadt Luanda kaum Konkretes zustande. Immerhin: Obwohl die EU zunächst in der Coronapandemie die rechtzeitige Lieferung günstiger Impfstoffe nach Afrika verhindert und anschließend durch Sanktionen gegen Russland einen Getreidemangel verursacht hatte, lebt das Märchen von der Kooperation der Kontinente fort.
Die Essenz der Abschlusserklärung ist eine Offenbarung der widersprüchlichen Interessen, die vor allem seitens der Europäer mit schamlosen Lügen kaschiert werden. Man fordert eine Diversifizierung afrikanischer Volkswirtschaften, investiert aber hauptsächlich in Infrastruktur für den Export von Rohstoffen. Man bekräftigt die Wichtigkeit eines regelbasierten Welthandels, spricht aber nicht darüber, wer diese Regeln definiert.
In manchen Punkten sind die Widersprüche rein innereuropäisch. So zahlt man einerseits hohe Summen für die Aufrüstung der Grenzregime in afrikanischen Ländern, um Menschen eine Flucht nach Europa zu verunmöglichen, benötigt aber andererseits Arbeitskräfte aus ebendiesen Staaten. Besonderen Zynismus offenbart exemplarisch der 43. Punkt des Papiers, in dem es da heißt: »Wir bekräftigen unsere geteilte Verpflichtung, denen zu helfen, die internationalen Schutz benötigen, weil sie vor Gewalt, Konflikten und Verfolgung fliehen.« Wie das aussieht, kann man im Mittelmeerraum begutachten.
Der Fokus des Gipfels lag auf den Wirtschaftsbeziehungen. Die EU ist noch immer der wichtigste Handelspartner afrikanischer Länder, verliert aber sukzessive Einfluss an China sowie Mittelmächte wie Indien, Russland oder die Türkei. Zudem bekommt sie beim Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte Konkurrenz durch die USA. Eigene Erfolge sind rar. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hob in ihrer Rede ernsthaft »die allererste Lieferung angolanischer Avocados von Lobito nach Europa« hervor, die man in dieser Woche feiern dürfe. Sie sah darin ein Beispiel dafür, wie »globaler Handel ein Motor für lokales Wachstum« werden könne. In Wirklichkeit geht es beim angesprochenen Lobito-Korridor, der die angolanische Hafenstadt mit den Bergbaugebieten der Demokratischen Republik Kongo und in Sambia verbinden soll, aber um den Abtransport und Export von kritischen Rohstoffen. Das Projekt ist nicht einmal vorrangig eines der EU, sondern wird maßgeblich von den USA vorangetrieben.
Washington bekam zwar den ein oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl bezüglich der Bedeutung eines verlässlichen Welthandels. Den Feind macht Brüssel aber in der Volksrepublik China aus: »Sie bohren, sie betreiben Bergbau, sie nehmen die Gewinne mit, zurück bleiben oft Schuldenberge«, übte sich von der Leyen in der Disziplin, Afrikanern die Situation in Afrika zu erklären.
Wie das europäische Verhandlungsmodell aussehen kann, skizzierte jüngst der afrikanische Sicherheitspolitik-Thinktank Amani Africa in einer Analyse der Gipfelvorbereitungen. Dabei sei zunächst unklar gewesen, weshalb die EU-Seite auf einen AU-Entwurf zur gemeinsamen Erklärung »mit Streichungen und eigenen Formulierungen reagierte«. Doch es liegt nicht nur an solchen Stilblüten, dass es zwischen der EU und der AU meist bei vagen Erklärungen bleibt. Es gibt schlicht enorme Widersprüche in den wirtschaftspolitischen Zielen. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa deutete diese in Luanda an, indem er hervorhob, dass Reformen der internationalen Handelsarchitektur Entwicklung in den Mittelpunkt stellen müssten. Von entscheidender Bedeutung sei, dass »sie es zulassen müssen, legitime politische Maßnahmen zu ergreifen, um Wertschöpfung, Industrialisierung und Diversifizierung zu fördern«. Derlei Protektionismus will Brüssel sich in aller Regel aber nur selbst erlauben.
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